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Hollande arrangiert vor dem EU-Gipfel ein Treffen der europäischen sozialdemokratischen Regierungschefs in Paris.

Foto: REUTERS/Christophe Ena/Pool

Offiziell ist es keine Verschwörung, sondern bloß ein "informelles Treffen". So benennt François Hollande die Einladung an europäische Regierungschefs und Spitzenpolitiker für Samstagmorgen, wenige Stunden vor dem EU-Gipfel in Brüssel. Erwartet werden im Elysée-Palast in Paris unter anderen Werner Faymann aus Österreich, Matteo Renzi aus Italien, Elio di Rupo aus Belgien sowie zwei Deutsche, Vizekanzler Sigmar Gabriel und Europarlamentspräsident Martin Schulz. Es gab auch einige Absagen, so etwa aus Spanien und England; trotzdem gelang es dem französischen Staatschef, eine eigentliche Linksfront vor dem EU-Gipfel auf die Beine zu stellen. Sie ersetzt auffällig frühere Vor-Gipfel-Treffen Hollandes mit der deutschen Kanzlerin Angela Merkel.

Die konspirative Zusammenkunft im Elysée ist ein Signal, dass die europäischen Sozialisten zusammen auf eine - schon im Mai im Europawahlkampf verlangte - "Neuorientierung" der Brüsseler Wirtschaftspolitik hinarbeiten wollen: Sparen und Austerität sollen durch Investitionen und eine gelockerte Budgetpolitik ersetzt werden.

Sozitreff in Paris

Dass das Treffen in Paris stattfindet, ist kein Zufall: Hollande bemühte sich aus innenpolitischen Gründen höchstpersönlich um das Zustandekommen. Er will seiner Wählerschaft zeigen, dass seine Regierung weder deutschem Spardruck nachgibt noch nach "rechts abdriftet", wie der linke Flügel der Parti Socialiste (PS) nach der Regierungsumbildung von dieser Woche lauthals moniert. Der neueste Hinauswurf zweier Linkssozialisten, Wirtschaftsminister Arnaud Montebourg und Bildungsminister Benoît Hamon, schlägt parteiintern hohe Wellen. An der traditionellen "Sommeruniversität" der PS im Atlantikhafen La Rochelle erwarten französische Medien an diesem Wochenende eine "elektrische" oder gar "explosive" Stimmung.

Stimme für Einschränkung der 35-Stundenwoche

Öl ins Feuer goss der neue Wirtschaftsminister und frühere Privatbanker Emmanuel Macron: In einem Interview, das er noch vor seiner Nominierung gegeben hatte, sprach er sich für eine Einschränkung der 35-Stunden-Woche aus, einem Dogma für Frankreichs Linke. Nachdem sich Macron als "sozialliberal" geoutet hatte, musste Parteichef Christophe Cambadélis feststellen, dieses Wort gebe es bei den Sozialisten gar nicht. Die Spannungen zwischen rechtem und linken Flügel bezeichnet er als "Nuancen".

In Wahrheit sucht das Hollande-Lager verzweifelt ein Rezept gegen den Linksflügel namens "Vive la gauche" (es lebe die Linke). So organisierte das Elysée einen Unterstützungsbrief zugunsten des Präsidenten, den 200 von insgesamt 290 PS-Abgeordneten unterzeichneten. Doch die Unterschriften vor der umstrittenen Regierungsumbildung gesammelt worden. Die stark mediatisierten "frondeurs" (Aufständischen) vom linken Flügel rechnen in La Rochelle mit der Parteibasis. Montebourg wird sich dort als Star feiern lassen.

Der sehr sozialliberale Premier Manuel Valls wird damit verglichen werden. Er beging diese Woche den Fehler, vor dem Arbeitgeberverband Medef aufzutreten und für seine unternehmerfreundlichen Aussagen eine Standing Ovation der Patrons entgegenzunehmen. In La Rochelle dürfte er von seinen eigenen Parteifreunden eher Buhrufe ernten.

Fällt das Pfeifkonzert sehr laut aus, gilt das als böses Omen für das Überleben der Regierung: Ohne die Abgeordneten des linken Parteiflügels hat Valls keine Mehrheit im Parlament. Und wenn die Regierung fällt, läuft wohl auch Hollandes Zeit im Elysée noch vor den Präsidentschaftswahlen 2017 ab. (Stefan Brändle, derStandard.at, 29.8.2014)