Kurt Kotrschal: "Einfach beste Freunde - Warum Menschen und andere Tiere einander verstehen", 224 Seiten, € 22,50, Brandstätter Verlag 2014.

Coverfoto: Brandstätter Verlag

Wien - Mehr Platz für Tiere im öffentlichen Raum fordert Österreichs Wissenschafter des Jahres 2010, der Verhaltensforscher Kurt Kotrschal von der Universität Wien . "Das Menschenrecht auf Tierhaltung - und umgekehrt auch das 'Tierrecht' auf ein Leben mit Menschen" seien in Österreich zwar stärker ausgeprägt als in anderen Ländern, "doch Kirchen, Museen oder Universitäten sind etwa für Hunde immer noch tabu. Warum eigentlich?", fragt der Biologe in seinem neuen Buch "Einfach beste Freunde".

Kotrschal hat das heute in Niederösterreich gelegene Wolf Science Center mitbegründet, in dem die kognitiven Fähigkeiten von Wölfen und Hunden erforscht werden. Die besondere Beziehung zwischen dem Menschen und dem Wolf respektive dessen domestiziertem Nachfahren ist seit Jahren Schwerpunkt in Kotrschals Forschungstätigkeit.

Öffentlich gemachte Beziehung

In seinem neuen Buch widmet sich Kotrschal der Frage, "warum Menschen und andere Tiere einander verstehen". Nach Ansicht Kotrschals kommt Menschen und Kumpantieren angesichts der zahlreichen Erkenntnisse über die Mensch-Tier-Beziehung, die er dem Buch aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet, "das Recht zu, ihre Beziehung nicht nur privat zu leben, sondern auch in der Öffentlichkeit".

Es sei nicht einzusehen, warum etwa Hunde in vielen Ländern keine öffentlichen Verkehrsmittel benutzen oder nicht in Restaurants mitgenommen werden dürfen und in Mietwohnungen oder Hotels nicht zugelassen werden. Dabei sei etwa eine "hundegerechte Stadt gleichzeitig auch eine kindergerechte Stadt", meint Kotrschal, der aufgrund der Jahrtausende andauernden Koexistenz von Mensch und Hund von einem "Menschenrecht auf Hundehaltung" spricht.

Kulturelle Schieflage

Kotrschal liefert eine Fülle an bio-psychologischen Grundlagen sowie evolutionären und historischen Gründen für die "Biophilie" des Menschen von klein auf und die positiven Auswirkungen des Kontakts mit Tieren. Dabei hätten das "abendländische Denken, seine Buchreligionen und Philosophen zur radikalsten Trennung zwischen Mensch und Tier in der Menschheitsgeschichte" geführt, meint der Verhaltensforscher, die "vermeintliche 'Emanzipation' von der Natur" habe im neuzeitlich-abendländischen Denken vom Tier als seelenlose Maschine und vom fundamentalen Unterschied zwischen Mensch und Tier "weit über jedes realistische Ziel hinaus geschossen".

Kotrschal führt dagegen zahlreiche Belege dafür an, "dass Menschen doch nicht so radikal unterschiedlich zu anderen Tieren sind, wie manche glauben wollen". So habe die moderne Kognitionsbiologie gezeigt, "dass sich Menschen nicht prinzipiell von anderen Tieren unterschieden, dass Tiere tatsächlich schmerz-, denk- und bewusstseinsfähige Wesen sind".

Partnerschaft auf Augenhöhe

Und auch wenn heute viele Menschen den Kontakt zum Tier fast vollständig verloren haben, zeige doch das Festhalten an Haustieren, dass der Bezug zu Tieren notwendig ist - was der Biologe mit Zahlen belegt: allein in Österreich gebe es 700.000 Hunde und zwei Millionen Katzen, weltweit würden nach Schätzungen eine Milliarde Hunde leben, viele davon allerdings menschenfern, und wahrscheinlich noch deutlich mehr Hauskatzen.

Kotrschal hat die Vision einer integrativen Gesellschaft, in welcher der Mensch nicht nur "mit den in unserer Gesellschaft lebenden Tieren, vom Hund bis zur Kuh im Stall, sozusagen 'auf Augenhöhe' lebt und sie als Partner und nicht als Spielzeuge, Untergebene oder als Nahrungsmittel betrachtet", sondern in der er auch "das Recht der Wildtiere auf ein von Menschen einigermaßen unabhängiges Leben in einem angemessenen Lebensraum achtet".(APA/red, derStandard.at, 29. 8. 2014)