Im Mai hat der chinesische Elektronikhersteller Xiaomi mit dem MiPad sein erstes Tablet präsentiert und muss sich damit abermals der Kritik aussetzen, Apple-Produkte zu kopieren. Auch wenn Xiaomi selbst diese Vergleiche nicht ganz Recht sind, sprechen die Produkte des Unternehmens eine eindeutige Sprache. So wirkt auch das MiPad im WebStandard-Test wie eine Fusion aus iPad mini und iPhone 5c – mit einem auf iOS getrimmten Android als Betriebssystem. Schlecht muss das aber keinesfalls sein.

Das MiPad ist ähnlich farbenfroh wie das iPhone 5c.
Foto: Xiaomi

Xiaomi… who?

Xiaomi hat sich in weiten Teilen Europas mit seinen günstigen aber trotzdem gut verarbeiteten und leistungsstarken Geräten bisher wohl nur unter technikaffinen Menschen einen Namen gemacht. Denn die Produkte des Unternehmens – darunter Smartphones, Tablets, Fitnessarmbänder, Fernseher und Set-Top-Boxen – sind hierzulande über offiziellem Weg (noch) nicht erhältlich. Bedient werden derzeit vor allem China und weitere Schwellenländer, die internationale Expansion wird jedoch mit Hilfe des ehemaligen Google-Managers Hugo Barra vorangetrieben.

Das Marketingkonzept des Unternehmens, das sich durchaus stark am großen Vorbild Apple orientiert, scheint aufzugehen. Trotz der beschränkten Verfügbarkeit ist Xiaomi mittlerweile zum fünftgrößten Smartphone-Hersteller weltweit aufgestiegen. Die erste Charge des im Juli präsentierten Mi 4, das neue Highend-Smartphone von Xiaomi, soll innerhalb von 37 Sekunden ausverkauft gewesen sein. Wie viele Geräte genau abgesetzt wurden, verrät der Hersteller jedoch nicht.

Foto: derStandard.at/Wendel
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Déjà-vu

Mit dem MiPad wagt sich Xiaomi nun auch in den Tabletmarkt vor. Nicht nur der Name erinnert dabei an die Geräteserie von Apple. Bereits beim Auspacken des MiPad erfährt man ein gewisses Déjà-vu. Verpackungsdesign und selbst die Anbringung der "Büroklammer", die beim Xiaomi-Tablet jedoch zum Einlegen der microSD-Karte dient, sind sehr ähnlich wie bei iPhone und iPad gestaltet. Die Gemeinsamkeiten beginnen damit aber erst so richtig.

Verarbeitung: Günstig, aber nicht billig

Das MiPad kostet in China umgerechnet rund 185 Euro. Wer aufgrund des günstigen Preises ein billig verarbeitetes Gerät vermutet, ist jedoch weit gefehlt. Xiaomi präsentiert mit dem MiPad eine Verarbeitungsqualität, wie man sie sonst von Premiumherstellern gewohnt ist. Keine Kratzer, keine ungleichmäßigen oder zu großen Spaltmaße, nichts knackt oder knarzt – mit anderen Worten eine perfekte Verarbeitung. Und das alles zu einem Preis, der deutlich unter jenem von vergleichbaren Konkurrenzprodukten liegt.

Foto: derStandard.at/Wendel
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Design: iPad mini gepaart mit iPhone 5c

Sollte Apple jemals bunte iPads auf den Markt bringen, wissen wir dank Xiaomi wohl, wie sie aussehen würden. Während die Front des MiPad ähnlich schlicht gehalten ist wie bei den Tablets von Apple, wird die Rückseite in knalligen Farben angeboten. Die Farbtöne entsprechen dabei in etwa jenen des iPhone 5c. Beim Kunststoff, aus dem die Rückseite des MiPad besteht, dürfte es sich ebenfalls um ein sehr ähnliches, wenn nicht sogar dasselbe Material wie beim iPhone 5c handeln.

Rückseite verschmiert leicht

Während die glatte Kunststoffrückseite aus Ästhetik-Aspekten einen sehr schönen Eindruck hinterlässt, erweist sie sich in der Praxis als nicht ganz ideal. Das MiPad liegt insgesamt etwas rutschig in der Hand und die Oberfläche neigt dazu, durch Schweiß und Schmutz stark zu verschmieren. Dies trübt den Gesamteindruck insgesamt jedoch nur geringfügig. Besonders Freunde von Apples schlichten Produktdesigns kommen mit dem MiPad voll auf ihre Kosten.

Foto: derStandard.at/Wendel
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Dicker und schwerer als das iPad mini

Die kompakten Abmessungen des iPad mini erreicht das MiPad jedoch nicht. Mit 8,5 Millimeter Gehäusedicke und 360 Gramm Gewicht ist das Xiaomi-Tablet spürbar dicker und schwerer als das aktuelle iPad mini. Das Gerät liegt jedoch trotzdem noch gut genug in der Hand und lässt sich angenehm bedienen.

Massig Leistung für wenig Geld

Für ausreichend Leistung unter der Haube des MiPad sorgen der Tegra-K1-Chip sowie zwei Gigabyte Arbeitsspeicher. Xiaomi war überhaupt der erste Hersteller, der ein Tablet mit dem leistungsstarken Chip von Nvidia veröffentlicht hat. Der Tegra K1 verfügt über einen Quadcore-Prozessor mit 2,2 Gigahertz sowie eine Kepler-Grafikeinheit mit 192 Kernen. Diese Kombo weiß zu überzeugen. Das MiPad ist äußerst flott, auch bei aktuellen Spielen konnten keine Leistungsschwächen entdeckt werden.

Der AnTuTu-Benchmark zeigt warum: Selbst aktuelle Android-Hardware wie das HTC One (M8) oder das Galaxy S5 lässt das MiPad mit 51.672 Punkten hinter sich. Beim "Epic Citadel"-Benchmark mit der Unreal Engine 3 erreicht das MiPad durchschnittlich 55 Bilder pro Sekunde – bei voller Auflösung und "Ultra High"-Grafikeinstellung.

Android-Tablet mit 4:3-Display

Beim Display des MiPad orientiert sich Xiaomi ebenfalls sehr nahe am iPad mini. Der Bildschirm bietet eine Diagonale von 7,9 Zoll und einer Auflösung von 1.536 x 2.048 Pixel (Pixeldichte von 324 ppi). Das Panel bietet damit dieselben Spezifikationen wie das Vorbild von Apple. Das Seitenverhältnis von 4:3 ist eher ungewöhnlich für Android-Tablets, die sonst vor allem Bildschirme in breiteren Formaten – 16:10 oder gar 16:9 – besitzen. Besonders die Darstellung im Portrait-Modus profitiert jedoch vom 4:3-Format – es gibt einfach mehr Platz.

Foto: derStandard.at/Wendel

Nur WiFi-Variante

Aufgrund des kleinen Formfaktors wäre das MiPad eigentlich prädestiniert für den Einsatz unterwegs. Xiaomi hat sich jedoch dazu entschlossen, das Gerät nur als WiFi-Variante anzubieten – Mobilfunknetze werden keine unterstützt. Für eine mobile Internetverbindung muss man sich also mit der Tethering-Funktion seines Smartphones begnügen. Ansonsten bietet das MiPad die auch von aktuellen Konkurrenzprodukten bekannten Standards: WLAN 802.11ac und Bluetooth LE/4.0 – GPS-Chip ist jedoch keiner verbaut.

Weitere Ausstattung

Das MiPad ist wahlweise mit 16 oder 64 Gigabyte internem Speicherplatz ausgestattet, der über eine microSD-Karte um bis zu 128 Gigabyte erweitert werden kann. An der Seite des Gerätes befindet sich dazu eine Öffnung, die mit der sonst von Smartphones und manchen Tablets bekannten "Büroklammer" zum Auswerfen des SIM-Karten-Schachts geöffnet wird.

Neben einer 8-Megapixel-Kamera an der Rückseite besitzt das MiPad außerdem eine Frontkamera, die mit fünf Megapixel auflöst. Die Hauptkamera liefert bei Schnappschüssen eine durchaus brauchbare Qualität, sofern man bei Tablets auf so etwas Wert legt (siehe Beispielfotos weiter unten).

Foto: derStandard.at/Wendel
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Überzeugende Akkulaufzeit

Leistungsstarke Hardware, tolle Verarbeitung und selbst die Akkulaufzeit kann überzeugen. Bei der durchgehenden Wiedergabe von 1080p-Filmen hält das MiPad rund zehn Stunden durch, bei normaler Verwendung (Internetsurfen, Musikhören) verlangt das Tablet erst nach rund 10–11 nach der Steckdose. Der fest verbaute Akku besitzt eine Leistung von 6.700 mAh.

Software: Android im iOS-Look

Das MiPad ist mit MIUI 5, einer stark angepassten Android-Version des chinesischen Herstellers, ausgestattet. Ähnlich wie iOS setzt MIUI auf eine Art Homescreen mit einer Übersicht aller App-Icons, die sich auch in Ordnern sortieren lassen. Zusätzlich werden jedoch auch – wie bei Android üblich – Widgets unterstützt. Generell lehnt sich MIUI in Design und Funktionalität sehr stark an iOS an. Als Beispiel sei etwa die Multitasking-Ansicht genannt, die jener von Apples Betriebssystem fast gleicht.

Die Sprache von MIUI lässt sich zwar auf Englisch einstellen, hin und wieder blitzen jedoch trotzdem chinesische Schriftzeichen durch. Die Lokalisierung in die englische Sprache scheint nicht perfekt gelungen zu sein. Der Xiaomi-eigene App-Market ist hingegen quasi vollkommen in Chinesisch gehalten. Programme wie E-Mail, Kalender, Kontakte, Notizen oder ein Datei-Explorer sind bei MIUI bereits vorinstalliert. Möchte man Zugang zu weiteren, muss man jedoch ein wenig basteln.

Google-Services müssen nachinstalliert werden

Dienste von Google, und damit auch der Play Store, sind unter MIUI nämlich überhaupt keine vorinstalliert – dies dürfte wohl der Internetzensur in China geschuldet sein. Xiaomi liefert hier seinen eigenen Store und diverse Apps mit.

Für versierte Nutzer, die bereits etwas Erfahrung mit Google-freien Android-Geräten haben, sollte eine Installation des Play Stores jedoch keine große Hürde darstellen, sie ist ohne großer Mühe in wenigen Minuten durchführbar. Im WebStandard-Test gelang der Download von Apps aus dem Play Store wegen Fehlermeldungen häufig jedoch erst nach dem zweiten oder dritten Versuch, warum ist unklar. Xiaomi hat mittlerweile (nach Abschluss des Tests) Version 6 von MIUI veröffentlicht, die auf allen neueren Xiaomi-Geräten auf Android 4.4 basiert.

Homescreen und Ordner-Darstellung sind sehr ähnlich wie bei iOS 7.
Foto: Screenshot/derStandard.at
Die Ansicht der zuletzt geöffneten Apps sieht ebenfalls sehr ähnlich wie bei iOS aus.
Foto: Screenshot/derStandard.at

Fazit: Xiaomi legt die Messlatte für Android-Tablets sehr hoch

Den Aussagen der Xiaomi-Manager, dass man Apple mit den eigenen Geräten nicht kopiere, kann man eigentlich nur mit einem müden Lächeln begegnen. Produkt- und Softwaredesign sind jenen von Apple einfach zu ähnlich. Dies ändert aber nichts daran, dass Xiaomi mit seinem ersten Tablet die Messlatte für Android-Hardware sehr hoch legt. Design, Verarbeitung und Leistung lassen kaum Platz für negative Kritik – und das zu einem wahren Kampfpreis.

Lediglich die Software des MiPad – MIUI – trübt den Eindruck ein wenig. Einfach anschalten und loslegen ist mit dem Xiaomi-Tablet nicht möglich. Eine deutsche Sprachoption gibt es von Haus aus nicht, ein Team aus Hobbyisten arbeitet allerdings an einer deutschen Version. Google-Dienste und der Play Store müssen händisch installiert werden. Das MiPad kann damit vor allem bereits etwas versierteren Android-Nutzern empfohlen werden, die ein Highend-Gerät zu einem günstigen Preis suchen.

Preise & Verfügbarkeit

In China ist das MiPad in der 16-Gigabyte-Variante um 1.499 Yuan (rund 185 Euro) und in der 64-Gigabyte-Version um 1.699 Yuan (rund 210 Euro) erhältlich. Der große Nachteil: Genauso wie andere Produkte von Xiaomi wird auch das MiPad hierzulande derzeit nicht offiziell vertrieben. Zwar forciert das Unternehmen derzeit seine internationale Expansion und will demnächst etwa in der Türkei an den Start gehen, Pläne für eine generelle Verfügbarkeit in Europa sind derzeit jedoch keine bekannt.

Interessierte Käufer werden sich damit wohl vorerst an Importhändler wenden müssen. Die deutsche Xiaomi-Community MIUI-Germany gibt als "Trusted Shops" unter anderem TradingShenzen an, von wo auch der WebStandard mit einem Testgerät ausgestattet wurde. Der Händler liefert das Tablet mit vorinstallierten Google Apps aus.

Eine andere dort empfohlene Bezugsquelle ist Androidfiguren.de. TradingShenzen führt das MiPad dabei um 255 (16 Gigabyte) bzw. 285 Euro (64 Gigabyte). (Martin Wendel, derStandard.at, 14.09.2014)

Hinweis im Sinne der redaktionellen Leitlinien: Das Testgerät wurde der Redaktion von TradingShenzhen für einen begrenzten Zeitraum zur Verfügung gestellt.

Abschließend noch zwei Beispielfotos, die mit der Hauptkamera an der Rückseite geschossen wurden (für Originalauflösung bitte anklicken).
Foto: derStandard.at/Wendel
Foto: derStandard.at/Wendel

Hinweis im Sinne der redaktionellen Leitlinien: Das Testgerät wurde von TradingShenzen zur Verfügung gestellt.