Zweifellos hat Alexander Pereira Fehler gemacht. Gleich nach Ankunft an seinem beruflichen Traumziel Salzburg forderte er das Kuratorium zum Duell. Doch statt einer fixen Zusage auf Vertragsverlängerung über 2016 hinaus stellte man ihm in einer Mischung aus Provinzposse und politischer Hasenfüßigkeit den Sessel vorzeitig vor die Festspieltür. Zu großmannssüchtig und wagemutig seien seine Ambitionen, zu überbordend sein Programm. Über die Inhalte redete man vorsichtshalber gar nicht. Doch indem man Pereira schlug, haute man auch die Kunst. Beiden tat man bei genauerer Betrachtung unrecht.

Freilich, nicht alles war echtes Gold, was in Pereiras drei Intendantenjahren so glänzte und glitzerte; und fallweise wirkten die Festspiele in ihrer atemlosen Üppigkeit so neureich wie einige der allzu aufgebrezelten Besucherinnen. Aber Pereira hat unbestreitbar ein Gespür für künstlerische Konstellationen, Pereira entdeckte neue Talente, holte aber auch die publikumswirksamen Stars, alle loben auf Befragung seine Standhaftigkeit und seine Loyalität.

Pereira liebt das Risiko. Opernregie-Neulingen wie Alvis Hermanis überantwortete er Prestigeproduktionen, 2012 "Die Soldaten", heuer "Il trovatore", stellte Hermanis aber vorsichtshalber das Stimmwunder Anna Netrebko zur Seite. Der Plan ging auf, "Il trovatore" war trotz etwas alberner Bühnenbilder-Schiebereien restlos überbucht - so wie übrigens auch "Der Rosenkavalier", für den er den stilsicheren Old-School-Meisterhandwerker Harry Kupfer engagierte. Mit Verspätung realisierte er in seinem letzten Jahr die erste Opernuraufführung: Luc Bondy, dessen Theaterinszenierungen zuletzt eher gepflegt langweilig waren, entwickelte für Marc-André Dalbavies "Charlotte Salomon"
ein spektakuläres, simultan bespieltes, exzellent besetztes Breitbildformat für die Felsenreitschule,

Mit seinem Schauspielchef (und Interimsnachfolger) Sven-Eric Bechtolf scheint Pereira, bevorstehende Scheidung hin oder her, heuer inhaltlich wirklich zusammengefunden zu haben. Vielleicht hat das 2014er-Motto "Erster Weltkrieg" das künstlerisch Gemeinsame über das intendantisch Trennende gestellt. Herausragend in der Schauspielabteilung waren fraglos "Die letzten Tage der Menschheit". Georg Schmiedleitner war in der Begrenztheit von (Vorbereitungs-)Zeit und (Bühnen-)Raum mehr als nur ein perfekter Notnagel für den ursprünglich vorgesehenen Regisseur, Ex-Burgchef Matthias Hartmann.

Der beengte Rahmen für Kraus' überbordendes und überforderndes Marstheater ist Sinnbild fürs Festspieldilemma. Der Kulturminister sollte dringend über eine Adaptierung des Festspielgesetzes nachdenken. Markus Hinterhäuser, aktuell Wiens Festwochenchef, ab 2017 Salzburgs Festspielintendant, will für ein besseres Gesprächsklima mit dem Kuratorium sorgen. Das mag ihm als Garant fürs Außergewöhnliche gelingen. Doch modernere Strukturen wären, neben einer dauerhaften Finanzaufstockung, ein passendes Einstandsgeschenk für ihn. (Andrea Schurian, DER STANDARD, 29.8.2014)