Es war ein Slalom durch ein rhetorisches Minenfeld: Penibel achtete Reinhold Mitterlehner bei seinen ersten Auftritten darauf, nur ja keinen politischen Sprengsatz auszulösen. Für die Bremser im Steuerstreit hatte er ebenso Tröstliches im Repertoire ("Nein zur Vermögenssteuer im engeren Sinn") wie für die Dränger ("werden uns bewegen"). Eine klare Linie skizzierte der neue VP-Chef nicht, vielmehr - wie er selbst sagt - eine Quadratur des Kreises.

Doch immerhin, eine Botschaft lässt sich aus dem Gewirr an Relativierungen herausschälen. Frei übersetzt lautet diese: Die SPÖ kann sich abschminken, dass sich Mitterlehner rasch einmal vor ihr auf den Bauch wirft - der frischgebackene Vizekanzler will ja nicht als Blitz-Umfaller in die Geschichte eingehen. Am Ende aller taktischen Scharmützel wird die ÖVP aber nicht bloß über Vermögensbesteuerung reden, sondern diese auch in irgendeiner Variante akzeptieren, um den Weg zur Steuerreform freizumachen. Weil ein ewiger koalitionärer Stellungskrieg zu nichts anderem als Wählervertreibung führt.

Das ist im Vergleich zum Vorgänger schon eine kleine Revolution. Politische Kurzsichtigkeit hatte Michael Spindelegger bewiesen, indem er seine Absage an neue Steuern unbeirrbar einzementierte; es braucht nicht rasend viel Scharfsinn für die Erkenntnis, dass eine Koalition nur funktionieren kann, wenn die Partner einander in den jeweiligen Herzensanliegen entgegenkommen. Spindelegger aber verbaute jeden Ausweg - außer jenen, sich in pathosgeschwängerter Märtyrerpose ("stehe mit meiner Überzeugung alleine") zu verdrücken.

Rückt die ÖVP von dieser Linie nicht ab, hätte sie sich ihre Rochade sparen können. Den passenden Obmann hat sie gewählt: Mitterlehner bewies schon öfter, dass er sich von antiquierten Parteitraditionen nicht den Sachverstand vernebeln lässt. Mit seinen Plädoyers für Kinderbetreuung und Ganztagsschule war der pragmatische Oberösterreicher Vorreiter in den eigenen Reihen. Potenzielle argumentative Stützen für den aktuellen Fall: Eine Entlastung der Arbeitseinkommen könnte das flaue Wirtschaftswachstum ankurbeln, zur Finanzierung drängen sich die in wenigen Händen konzentrierten, aber schwach besteuerten Vermögen auf.

Die Spindelegger-Kritiker müssen dabei beweisen, dass es ihnen nicht bloß um Profilierung auf Kosten eines weiteren geopferten Obmannes ging. So manchem VP-Granden könnte rasch die eben erst demonstrierte Lust auf eine Steuerreform vergehen, wenn für die Gegenfinanzierung die eigene Klientel mitzahlen muss - und das ist im Fall der Vermögenssteuer unvermeidbar. Die SP-Pläne nehmen zwar Betriebsvermögen aus, nicht aber Beteiligungen an Unternehmen, sofern diese eine Million übersteigen. Der Wirtschaftsbündler Mitterlehner tendiert deshalb wohl zu einer höheren Grundsteuer, doch da stehen wieder die Bauern auf den Barrikaden.

Auch die SPÖ muss sich bewegen und ein Gegengeschäft anbieten. Passendes Zugeständnis an Mitterlehner, der wohl Wissenschaftsminister bleibt, wären Studiengebühren. Doch dafür müsste die SP-Spitze in Kauf nehmen, nach den Frauen auch noch die Parteijugend zu vergrätzen.

Trotz aller Hürden: Der VP-Wechsel hat die Chancen für eine vernünftige Steuerreform entscheidend erhöht. Scheitert die Koalition auch in dieser Konstellation daran, hat sie sich selbst die Existenzberechtigung entzogen. (Gerald John, DER STANDARD, 28.8.2014)