Kopf hoch und Flossen an den Körper: So sieht die Haltung eines Beinahe-Landtiers aus.

Foto: Antoine Morin

Bewegungsstudie eines Flösselhechts an Land.

Foto: Antoine Morin

Montreal - Wie genau die Knochenfische vor 390 bis 400 Millionen Jahren das Land eroberten, ist offen. In jüngerer Vergangenheit haben sich Biologen von der alten Vorstellung zunehmend verabschiedet, dass Fische auf fleischigen Flossen an Land krochen und dort erst Beine entwickelten. Heute nimmt man aufgrund diverser Fossilienfunde eher an, dass die Fische bereits im Wasser beinartige Gliedmaßen entwickelten - die ersten eigentlichen "Landwirbeltiere" wären demnach Wasserbewohner gewesen.

Nun berichten kanadische Forscher von einem einzigartigen Experiment, mit dem sie zeigen, wie weit Fische sich dem Leben an Land anpassen können. Sie griffen dabei auf Flösselhechte der Gattung Polypterus zurück: in Afrika beheimatete Tiere, die zu den Fischgruppen gehören, die sich in gewissem Ausmaß auch über Land schleppen können. Die Tiere haben muskulöse Brustflossen und können Luft atmen, da sie neben Kiemen auch über eine als Quasi-Lunge funktionierende Schwimmblase verfügen.

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Im Fachmagazin "Nature" berichten die Forscher um Emily Standen von der McGill University (inzwischen University of Ottawa), wie sie das Potenzial der Fische für ihr Experiment nutzten. Sie zogen Jungtiere der Flösselhechte, die normalerweise die meiste Zeit im Wasser verbringen, acht Monate lang ausschließlich an Land auf. Im Unterschied zum Leben im Wasser mussten die Tiere an Land ihr volles Körpergewicht tragen und waren zu einer anderen Fortbewegungsweise gezwungen.

Das führte zu Veränderungen sowohl im Verhalten als auch in der körperlichen Entwicklung der Fische - und beide Faktoren beeinflussten einander gegenseitig. Die Tiere hielten ihren Kopf höher und die Flossen dichter am Körper. Zugleich verstärkte sich ihr Skelett im Brustbereich verglichen mit im Wasser lebenden Artgenossen. Die Verbindung zwischen Kopf und Oberkörper wurde hingegen ein bisschen flexibler - was dem Kopf einen größeren Bewegungsspielraum einbringt.

In Summe führten diese Veränderungen dazu, dass die Fische dieser Versuchsgruppe bessere "Läufer" wurden als ihre im Wasser aufgezogenen Artgenossen. So schleppend ihr Gang naturgemäß auch bleiben musste, war er doch effektiver als der der Angehörigen aus der Kontrollgruppe. Bis hin zu dem Umstand, dass die "Landfische" seltener ausrutschten.

Interpretation der Ergebnisse

"Herausfordernde Umweltbedingungen können oft Veränderungen der Anatomie oder des Verhaltens aufdecken, die sonst unbekannt geblieben wären. Das ist eine Art Formbarkeit in der Entwicklung", sagt Standen zu den Ergebnissen des Experiments.

Die Forscher wollen ihre Studie nicht als Aussage werten, wie aus den Fischen einst die Landwirbeltiere wurden. Sie weisen aber auf Parallelen zwischen der individuellen Entwicklung der Experimentalfische und dem Fossilienbeleg aus dem Erdaltertum hin. Koautor Hans Larsson stellt zur Diskussion, dass eine Anpassungsfähigkeit wie bei den Flösselhechten des Versuchs einst den großen evolutionären Übergang zum Leben an Land erleichtert haben könnte. (jdo/APA, derStandard.at, 28.8.2014)