Damals, im April 2011, war Michael Spindelegger dran, einen ÖVP-Chef - Josef Pröll - zu ersetzen. Drei Jahre und vier Monate später ist Reinhold Mitterlehner an der Reihe.

Foto: M. Cremer

Es ist ja nicht so, dass sie nichts gemeinsam hätten: Beide sind promovierte Juristen, beide haben fast ihr gesamtes Berufsleben im relativ geschützten Kammer- bzw. Beamtenbereich und später in der Politik verbracht. Und beide sind Mitglieder in einer katholischen, farbentragenden, nichtschlagenden Studentenverbindung unter dem Dach des Österreichischen Cartellverbands (ÖCV).

Reinhold Mitterlehner gehört zur Austro-Danubia Linz und wählte westernsinnig den Couleurnamen Django. Michael Spindelegger ist Alter Herr in der Norica und firmiert dort als Cato. Mutmaßlich angelehnt an den römischen Feldherrn und Staatsmann und eher nicht an den Dichter selbigen Beinamens.

Es reichte wieder mal einem

"Cato", der "Scharfsinnige, Gewitzte" hatte Dienstagfrüh den Krempel als Chef der irgendwie latent unregierbaren ÖVP plus das Amt des Vizekanzlers und Finanzministers der Republik entnervt hingeworfen - und zwölf Stunden später saß der "Django" aus dem Wissenschafts- und Wirtschaftsministerium im ÖVP-Chefsattel.

Und jetzt wird alles anders und besser in und mit der ÖVP? "Ich bin neugierig, was Sie so neugierig macht", sagte ein anderer Django, nämlich der aus dem Tarantino-Film Django Unchained, auf bohrende Nachfragen dieser Art.

Archivarische Bohrungen bringen ein paar Hinweise zutage. Mitterlehner ist natürlich nicht ohne Grund in der ÖVP und nicht in der SPÖ. Und das wird die SPÖ auch zu spüren bekommen. Aber er hat sich wiederholt abweichende Meinungen gestattet - zuerst als Wirtschaftskammer-Vizegeneralsekretär, später als Wirtschaftssprecher der ÖVP im Parlament, und auch als Minister sah er in der verordneten Parteilinie immer wieder eher nur ein unverbindliches Meinungsangebot.

  • Schule Wo für Spindelegger das Gymnasium quasi der Hort des Abendlandes ist und bleiben muss ("Das Gymnasium bleibt") und die Gesamtschule per se etwas "Sozialistisches", geriet Mitterlehner als Sozialpartnervertreter - es gibt ein Papier, in dem diese gemeinsam die gemeinsame Schule fordern - wegen der gemeinsamen Schule nie in Panik. Er war aber auch vorsichtig genug, nicht mit falschen Vokabeln wie "Gesamtschule" die Pferde scheu zu machen und jede Diskussion von vornherein zu ersticken. Das "Leistungsprinzip" betonte er natürlich ebenfalls.
    Auch beim Thema ganztägige Schulformen hatte der neue Erste in der ÖVP keine Scheu, am Nachmittag nicht bloß "Betreuung" anbieten zu wollen, sondern echte Ganztagsangebote. Der Kindergartenbereich sei ein Vorbild, da seien immer mehr Ganztagsangebote gefragt. Dahin müssten sich auch die Schulen weiterentwickeln.
  • Ausländer In einer anderen Frage hätte sich die ÖVP nur nach seinen Ideen entwickeln müssen, und alles wäre ein bisschen schneller gegangen, ließ Mitterlehner 2010 recht unverblümt durchklingen. Da war nämlich der damals noch im Amt des Außenministers befindliche Kollege Spindelegger auf die Idee gekommen, das Thema Zuwanderung auf qualifizierte Arbeitnehmer zu konzentrieren. Das habe er allerdings schon vor drei Jahren vorgeschlagen, pochte Mitterlehner auf sein Copyright und erinnerte süffisant daran, dass er für den gleichen Vorschlag in der Partei noch heftig kritisiert worden war.
    2007 hatte er als Wirtschaftskammer-Vizegeneralsekretär moniert, dass die ÖVP Migrations- und Integrationspolitik in der Vergangenheit zu sehr aus der Sicherheitsperspektive diskutiert habe. Und er stellte klar: "Österreich ist ein Zuwanderungsland." Dazu forderte er damals namens der Wirtschaft erweiterten Zugang zum Arbeitsmarkt für Asylwerber: "Wer legal hier ist, soll arbeiten dürfen." Integration sollte ein Aufenthaltskriterium sein.
    Dass ihm die Ausländerlinie der ÖVP etwas zu kleinwüchsig angelegt ist, hat Mitterlehner, ein Gegner von Schwarz-Blau, übrigens schon 2000 gegen den damaligen Kanzler Wolfgang Schüssel deponiert. Der wollte die Ausländerquote trotz Mangels an qualifizierten Arbeitskräften nicht erhöhen. Mitterlehner, diplomatisch spitzzüngig, erblickte da "einen kleinen Unterschied" zwischen der Position der Wirtschaft und des Kanzlers und ÖVP-Chefs.
  • Frauenquote War noch was? Ach ja, die Sache mit der Frauenquote. Eine solche (25 Prozent) hat Mitterlehner 2011 für die Aufsichtsräte staatsnaher Betriebe gefordert. Auch wenn's nur Zufall war, so war's doch ein dankend angenommenes Einstandsgeschenk des Neuen an der ÖVP-Spitze an sein künftiges Gegenüber in der Regierung: Denn dass sein Leiden an der Frauenquote in der SPÖ wegen des mit einem Mann nachbesetzten Mandats von Barbara Prammer über Nacht aus dem Aufmerksamkeitsfokus fallen könnte, hätte SPÖ-Chef Werner Faymann wohl nicht zu hoffen gewagt. (Lisa Nimmervoll, DER STANDARD, 28.8.2014)