Der spontane Rücktritt des Finanzministers habe die ÖVP "am falschen Fuß erwischt", sagt die Politikwissenschaftlerin Kathrin Stainer-Hämmerle im Gespräch mit derStandard.at. Für sie ist es "die Rache des Michael Spindelegger an seiner eigenen Partei". Die Reaktion der Landeshauptleute, die konsequent den Parteiobmann kritisiert haben, sei scheinheilig.

Die Kür von Reinhold Mitterlehner sei ein "deutliches Signal Richtung große Koalition". Es gebe auch Stimmen in der Partei, die mit der Juniorrolle der ÖVP in der Koalition nicht zufrieden seien und fänden, dass sich die Partei nicht weiterentwickeln könne. Dem habe man entgegengewirkt.

Mitterlehner klüger als Spindelegger

Mitterlehners Entschluss, das Amt des Finanzministers nicht selbst zu übernehmen, kann Stainer-Hämmerle etwas abgewinnen: "So viele Funktionen kann man nicht erfüllen, vor allem im derzeitigen Zustand der ÖVP." Der neue Parteiobmann agiere klüger als Spindelegger, der sein Autoritätsdefizit in der Partei mit Macht habe ausgleichen wollen.

Außerdem müsse Mitterlehner nun zeigen, ob er es schaffe, die Partei zu prägen. Daran seien schon seine Vorgänger gescheitert. Auch Josef Pröll sei in dieser Hinsicht "viel zugetraut" worden, was er letztlich nicht geschafft habe. Der Wirtschafts- und Wissenschaftsminister müsse Signale setzen, um eine inhaltliche Neuorientierung der Partei zu ermöglichen, die eben Spindelegger verweigert habe.

Mitterlehner sei ein Pragmatiker, der gemeinsam mit seinem Spiegelminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) als "Motor der Regierung" gelte. (mte, derStandard.at, 27.8.2014)