Helena Maleno, Mitarbeiterin der Organisation Walking Borders, konnte erst Tage nach dem Angriff ausreisen.

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Nach der Attacke eines rassistischen Mobs auf Migranten und die spanische NGO-Mitarbeiterin Helena Maleno von Walking Borders Mitte August in Boukhalef, einem Vorort der nordmarokkanischen Hafenstadt Tanger, äußert die Flüchtlingshelferin im STANDARD-Gespräch massive Kritik an den politisch Verantwortlichen.

Unter den Vorwänden "Immigranten trinken Alkohol und besetzen unsere Häuser" gingen damals aufgebrachte, organisierte Marokkaner mit Steinen, Stöcken und Macheten bewaffnet bereits zum zweiten Mal auf eine Gruppe von Flüchtlingen los. "Es war unglaublich gewalttätig", sagt Maleno. Sie selbst sei nur um Haaresbreite mit ihrem Leben davongekommen, weil Migranten sie beschützt hätten.

Viele der Frauen, Maleno einbezogen, wurden dabei auch sexuell genötigt. Mehr als ein Dutzend Menschen mussten wegen tiefer Schnittwunden in umliegenden Spitälern behandelt werden. Psychologische Hilfe oder Schutz seitens der Justiz gebe es keinerlei, lamentiert Maleno. Sie ließ ihre Verletzungen wegen einer im Anschluss gestellten Anzeige gegen einen ihr namentlich bekannten Täter im Krankenhaus bestätigen. Passiert ist nichts.

Tagelang im Haus gefangen

Aktuell weilt Maleno zur psychologischen Betreuung in Spanien. Erst am 22. August, knapp eine Woche nach den Übergriffen, gelang ihr die Ausreise. Spaniens Botschaft und das Konsulat in Tanger hätten erst nach Medienberichten auf ihr Hilfsgesuch reagiert. Über Tage war es ihr nicht möglich, das Haus zu verlassen.

Im Wochentakt würden mittlerweile Wohnungen der Migranten geplündert und deren spärlicher Besitz verbrannt oder auf dem Schwarzmarkt verkauft werden: "Die Polizei steht daneben und sieht tatenlos zu", empört sich Maleno. Sie selbst habe man geschlagen, grob angefasst und dabei auch ihren Oberkörper entblößt. Zahlreiche Hämatome zeugen noch heute davon.

Via Twitter wurde Maleno nach dem Bekanntwerden der Geschehnisse "von vielen Spaniern massiv sexistisch und rassistisch beleidigt und auch bedroht", was sie zusätzlich belastete. "Wir sperrten uns in unserer Wohnung ein. Das Stiegenhaus war voller Menschen mit Macheten", erzählt ein von ihr betreuter Kameruner.

Fokus auf Menschen aus Zentralafrika

"Es existierte der Wille, Tanger von Menschen mit schwarzer Hautfarbe zu säubern", warnt Maleno. Wo wurzelt die Motivation, und was ist das Ziel jener Gewaltbereiten?, fragt sie sich: "Warum genießen diese Kleinkriminellen volle Straffreiheit?"

Mehr als 30.000 Menschen aus dem Subsahara-Afrika warten in und um Tanger auf ihre Chance, auf EU-Territorium zu gelangen. In der jüngsten Welle an Bootsflüchtlingen überquerten mehr als 1200 Migranten die Meerenge - zeitgleich mit den Gewaltakten in Tanger. Angeblich hat man das Gerücht verbreitet, sie hätten 48 Stunden Zeit, auf dem Seeweg nach Spanien zu starten. Die marokkanische Marine würde sie nicht abhalten.

Folglich sind Auffanglager und provisorische Unterkünfte im südspanischen Tarifa restlos überfüllt; und NGOs, Caritas sowie das Rote Kreuz überfordert. Walking Borders publizierte kürzlich Videos von massiver Polizeigewalt bei der Räumung provisorischer Lager am Monte Gurugú auf spanischer Seite. (Jan Marot, DER STANDARD, 27.8.2014)