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Der Film "Wie der Wind sich hebt" zeugt von der Zuneigung zum Fliegen und lebt von der Poesie des 73-jährigen japanischen Meisters Miyazaki.

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Wien - Anfang August verbreitete sich die Nachricht im Internet, dass die japanischen Ghibli-Studios, Heimstatt des Werkes von Hayao Miyazaki, schließen würden. Dies stellte sich später zwar als ein Übersetzungsfehler heraus - man würde das Unternehmen nur neu strukturieren, so General Manager Toshio Suzuki. Doch dass der mit viel Liebe handgezeichnete Animationsfilm auch an diesem Ort bald seiner digitalen Zukunft ins Auge sehen muss, daran vermag niemand ernsthaft zu zweifeln.

Dazu passt der wehmütig stimmende Umstand, dass Wie der Wind sich hebt der definitiv letzte Film von Miyazaki bleiben wird. Schon mit seinem Paul Valérys Gedicht Der Friedhof am Meer entnommenen Titel erzählt die nun im Kino startende Arbeit von Abschied, vom schwierigen Prozess des Loslassens. Der Wind erhebt sich / Wir müssen lernen zu leben, diese dem Film vorangestellten Verse gelten sowohl für den altersmüden Filmemacher wie auch für jenen Mann, den er zum Helden seines letzten Films erkoren hat.

Es handelt sich um Jiro Horikoshi, den berühmten Konstrukteur der Mitsubishi-A6M-Zero-Kampfflugzeuge, die im Zweiten Weltkrieg zu Berühmtheit gelangten - nicht nur aufgrund ihrer überragenden Wendigkeit, sondern auch im Einsatz in Pearl Harbor und als Kamikaze-Flieger. In Japan ist die Maschine noch immer ein Symbol für Wehrhaftigkeit - und Horikoshi in der Folge eine Figur, welche die Rechte für sich zu vereinnahmen versucht. Entsprechend irritiert reagierte man zunächst auf Miyazakis Projekt - man schätzt und kennt ihn als Pazifisten.

Doch Wie der Wind sich hebt ist keine Hagiografie eines Kriegsbegeisterten geworden, sondern das Biopic eines Träumers, der den ewigen Wunsch des Menschen, fliegen zu können, beim Wort nimmt. Und Träume bebildert Miyazaki, selbst ein Flugzeugfreak, in seinem Film besonders viele: Regelmäßig bricht er in die Fantasie seines Helden aus, in der dieser mit dem italienischen Ingenieurskollegen Giovanni Battista Caproni zusammentrifft. Wie Horikoshi ist dieser Ästhet und Utopist in einer Person. Beide lieben das Material ihrer Maschinen, beide sehnen eine Zukunft des Passagierflugs herbei. Und beide sehen ihre Entwürfe immer wieder in Flammen aufgehen.

Wie genau Miyazaki um diese Liebhaberei und die Geschichte Bescheid weiß, zeigt sich in vielen Details, in denen das Skizzieren neuer Flugzeugtypen - bei dem etwa Fischgräten Ideen liefern - auch als Parallele zum Zeichnen von Animationsfilmen lesbar wird. Die Flugzeuge selbst haben etwas von den quirligen Lebewesen, die man aus den fantastischeren Filmen des Japaners kennt. Besondere Freude macht, dass die Motoren- und Propellergeräusche ganz offensichtlich aus menschlichen Mündern kommen. Sogar einen Besuch in Deutschland hält der Film bereit, wo Horikoshi in den Werken von Junker einem Vorbild für seine technische Innovationslust begegnet. Schon hier wird die Denkrichtung des Films erkennbar: Die Ingenieure sind bei Miyazaki unbefleckt von den Ideologien des Staates - sie werden gleichsam von der Geschichte überrollt.

Eine Spur zu naiv

Horikoshi bleibt in Wie der Wind sich hebt vielleicht eine Spur zu naiv - ein freundlicher, stets zuvorkommender junger Mann mit runden Augengläsern, der Papierflugzeugen und Regenschirmen hinterherjagt und dabei auch seiner großen Liebe Nahoko begegnet, die an Tuberkulose leidet. Auf diese stilleren, feierlichen und schmerzlichen Momente versteht sich Miyazaki besonders. Sie unterstreichen den melancholischen Tonfall des Films, der von der Notwendigkeit erzählt, dass man sich im Privaten wie Beruflichen von mancher Passion auch trennen muss.

Dass es gerade der Wind ist, der zur leitmotivischen Kraft des Films wird, zeugt von der Poesie dieser Arbeit, vom Genie des 73-jährigen japanischen Meisters. Der Wind trägt alle Möglichkeiten des Lebens (und damit auch die Zerstörung) in sich. Schon am Beginn lässt er das Feuer nach einem Erdbeben zum Flammenmeer auflodern, das 1923 Tokio unter sich begräbt. Der Wind liefert jedoch auch erst die Voraussetzungen für das Fliegen. Und er führt Menschen zusammen, indem er Dinge in Bewegung bringt und damit zu galanten Hilfsdiensten verleitet. (Dominik Kamalzadeh, DER STANDARD, 27.8.2014)