"Ich verbringe gern Zeit mit Kindern. Die sind immer gut drauf", sagt Tagesvater Hannes Edelsbrunner.

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derStandard.at: Sie arbeiten im dritten Jahr als Tagesvater. Wie sind Sie auf die Idee gekommen, diesen Beruf auszuüben?

Edelsbrunner: Ich bin da hineingestolpert. Eigentlich bin ich Jurist. Ich war in Graz in einer Anwaltskanzlei tätig. Aber dann sind meine Frau und ich mehr oder weniger in Wien gestrandet. Mir war klar, dass ich etwas anderes machen will. Wir haben selbst keine Kinder, und zu dieser Zeit wurde sehr viel über Pflegekinder berichtet. Über diese Schiene bin ich zu den Tageseltern gekommen. Die Ausbildung ist sehr kurz, dauert nur einen Monat. Da habe ich mir gedacht: Das schau ich mir doch an.

derStandard.at: Waren Sie im Kurs der einzige Mann?

Edelsbrunner: Ja. Ich glaube auch nicht, dass es sehr viele Tagesväter gibt. Einmal hatte ich einen männlichen Praktikanten, der schon in der Schule als Berufswunsch Kindergärtner angegeben hatte. Was war? Als das die Runde machte, war er eine Woche lang das Gespött der gesamten Schule.

derStandard.at: Wie hat Ihr Umfeld reagiert?

Edelsbrunner: Vom Kurs hat nur meine Frau gewusst. Ich wollte nichts groß ankündigen, und dann wird daraus nichts. Außerdem hatte ich große Bedenken, keine Kinder zu finden. Ein Kollege von mir hat deshalb aufgehört.

derStandard.at: Ist das für einen Tagesvater schwer?

Edelsbrunner: Manchmal gibt es monatelang keinen Anruf, dann wieder zuhauf. Im September gehen die Kinder oft weg in den Kindergarten, da braucht es dann neue Bewerber.

derStandard.at: Wie alt sind die Kinder, die Sie betreuen?

Edelsbrunner: Derzeit sind es vier Kinder, die alle unter zwei Jahre alt sind. Bis zu fünf dürfte ich betreuen. Nur nehme ich nicht so viele, weil ich einen Viererkinderwagen habe. Da wäre das fünfte Kind im wahrsten Sinne das fünfte Rad am Wagen.

derStandard.at: Was macht Ihnen am meisten Spaß?

Edelsbrunner: Ich verbringe gern Zeit mit Kindern. Die sind immer gut drauf. Wenn nicht, dann liegt es an Zahnschmerzen oder so – also Ursachen, für die ich nichts kann.

derStandard.at: Und was weniger?

Edelsbrunner: Das kann ich leicht sagen: das Kochen und die Ferkelei beim Essen. Ich muss mir jeden Tag überlegen, was ich einkaufe und koche – und wie wird das dann gegessen? Ich versuche immer etwas vorzubereiten, bei dem möglichst wenig gepatzt werden kann. Suppen sind sehr gut! Da werden sie nur nass.

derStandard.at: Ist das Essen für Eltern ein besonders heikles Thema?

Edelsbrunner: Nein, gar nicht. Es stellt niemand unrealistische Forderungen an mich. Die Eltern stehen ja auch vor den gleichen Problemen: Wie schaffe ich es, dass die Kinder mit Besteck essen? Wie, dass sie nicht nur Nudeln wollen?

derStandard.at: Mit Vorurteilen, weil Sie als Mann Kinder betreuen, haben Sie nicht zu kämpfen?

Edelsbrunner: Ich denke, das betrifft eher Kindergarten-Pädagogen. Die stehen an der Front und 25 Elternpaaren gegenüber. Ein Unterschied ist auch: Die Eltern suchen einen Kindergarten und nicht die Pädagogen aus. Bei mir ist es anders: Hier suchen sie explizit mich aus. Ich bin ein Einzelkämpfer. Außerdem ist es bei mir so, dass sich die Leute beim Verein "Eltern für Kinder" melden, bei dem ich angestellt bin. Wird ein Tagesvater abgelehnt, erfahre ich das gar nicht. Den Kindern ist es jedenfalls völlig egal.

derStandard.at: Es gibt nie Kommentare, wenn Sie unterwegs sind?

Edelsbrunner: Angesprochen werde ich nur wegen des Kinderwagens. Die am häufigsten gestellte Frage lautet: Sind das Vierlinge? Das ist allerdings nicht sehr kopfgesteuert – die Kinder schauen ja alle ganz unterschiedlich aus.

derStandard: Warum machen diesen Job so wenige Männer?

Edelsbrunner: Es liegt wohl am Gehalt. Dass der Verdienst gering ist, war mir klar, aber so wenig! Meine Frau arbeitet auch, das Familieneinkommen ist daher nicht so schlecht. Allein ginge sich das wohl nicht aus. Warum das so ist? Man bekommt wenige Kinder, die 40 Stunden pro Woche betreut werden sollen, die meisten Eltern suchen nur Halbzeitplätze. Das macht es schwierig.

derStandard.at: Wie läuft ein typischer Tag ab?

Edelsbrunner: Ich bemühe mich um einen regelmäßigen Tagesablauf. Die Kinder kommen zwischen acht und neun Uhr, dann verlasse ich mit ihnen das Haus. Ich wohne in einem Altbau ohne Lift, müssen Sie wissen. Da ist es schon eine Kunst und verlangt viel Zeit und Geduld, mit den Kleinen die Stufen zu überwinden. Dann drehen wir mit dem Kinderwagen unsere Runde und steuern einen Park an. Zu Hause gibt es später Mittagessen, die ersten Kinder werden abgeholt. Die anderen schlafen noch im Optimalfall, bis auch ihre Eltern kommen.

derStandard.at: Ihre Kinder wechseln alle früher oder später in den Kindergarten. Ist es leicht, sie – sozusagen – zu verlieren?

Edelsbrunner: Überhaupt nicht. Das hatte ich mir nicht so schwierig vorgestellt. In der letzten Augustwoche ist ein Mädchen in den Kindergarten gewechselt, die fehlt mir jetzt schon sehr. Das Abschiednehmen ist wirklich sehr schwierig. (Peter Mayr, derStandard.at, 27.08.2014)