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Ein westlichen Kriterien entsprechendes Wählerverzeichnis existiert in Abchasien nicht, daher wurden die Finger jener, die am Sonntag zur Wahl gingen, mit Filzstiften "entwertet".

Foto: EPA/reutov

Lange mussten Raul Chadschimbas Anhänger in der Nacht vor dem Wahlstab des Oppositionskandidaten am Hafen von Suchumi ausharren. Ein Film über die Heldentaten des inzwischen verstorbenen ersten abchasischen "Präsidenten" Wladislaw Adsinba im Bürgerkrieg gegen Georgien sollte offenbar die patriotische Stimmung heben; doch die Nervosität stieg, je länger Nachrichten über den Wahlverlauf auf sich warten ließen. Erst nach Mitternacht machten Gerüchte über den Sieg Chadschimbas die Runde. Die Freude der Anhänger entlud sich in einem hupenden Autokorso, aber es blieb sonst friedlich.

Am Montag bestätigte die Wahlkommission das vorläufige Endergebnis: Gut 50.000 Stimmen (50,6 Prozent), seien auf Chadschimba entfallen, erklärte Wahlleiter Batal Tabagua. Sein Herausforderer, Geheimdienstchef Aslan Bschanija, erhielt 35,9 Prozent. Damit entfällt eine Stichwahl.

Beobachter aus nicht anerkannten Regionen

"Gestern ist die Duma-Delegation zusammen mit Experten und Mitgliedern des Föderationsrats fast alle Kreise Abchasiens, auch jene in den Bergen, abgefahren. Wir haben keine großen Beanstandungen hinsichtlich der Durchführung der Wahl und der Arbeit der Wahlkommissionen", sagte der Leiter des Duma-Komitees für GUS-Angelegenheiten, Leonid Sluzki. Der vom Westen wegen seiner Haltung bezüglich der Ukraine mit Sanktionen belegte Politiker leitete die russische Wahlbeobachtermission in der von Moskau finanziell abhängigen Schwarzmeerregion.

Aus insgesamt 20 Ländern seien Beobachter angereist, vermeldete Suchumi stolz - doch zumeist handelte es sich um Delegationen der ebenfalls international nicht als Staaten anerkannten Regionen Südossetien, Transnistrien, Berg-Karabach oder der vor wenigen Monaten aus der Taufe gehobenen "Donezker Volksrepublik". Das Wohl dieser "Republiken" hängt wie jenes Abchasiens vom Segen des Kreml ab.

Moskaus Einfluss steigt

Mit Chadschimba wird sich Moskaus Einfluss in Suchumi nur verstärken. Für den 56-Jährigen ist es der erste Sieg im vierten Anlauf. Der vom Schlosser erst zum Juristen und später zum KGB-Agenten umgeschulte Politiker verdankt seine Karriere dem abchasisch-georgischen Bürgerkrieg, wo er als Leiter der Militäraufklärung diente. Unter Adsinba stieg er anschließend zum Geheimdienstchef der von Georgien abgefallenen "Republik" Abchasien, später sogar zum "Premier" auf. Doch Adsinbas Nachfolge konnte er 2004 trotz massiver Unterstützung seines Protegés und Moskaus nicht antreten.

Diese Wahl prägte Chadschimbas Image als Kremlkandidat. Vor der Abstimmung machten Duma-Abgeordnete und russische Künstler Werbung für ihn, Russlands Präsident Wladimir Putin ließ mit einer Audienz für Chadschimba keinen Zweifel daran, wen der Kreml auf dem Chefposten sehen wollte. Als Chadschimba trotzdem überraschend gegen den Unternehmer Sergej Bagapsch verlor, wurde dies zum Auslöser einer monatelangen Krise, die von Russland mit einem Embargo für Abchasiens Hauptexportgut Mandarinen verschärft wurde. Am Ende setzte sich Bagapsch durch, während Chadschimba als Ausgleich den Posten des "Vizepräsidenten" erhielt.

Pleite Moskaus

Die offensichtliche Pleite nahm sich Moskau zu Herzen. Bei späteren Abstimmungen mischte sich Russland nicht mehr so offen in die Wahlen ein. Chadschimba aber kassierte sowohl 2009 (erneut gegen Bagapsch) als auch 2011 (nach Bagapschs Tod) gegen dessen Wegbegleiter Alexander Ankwab deutliche Niederlagen.

Erst nachdem Ankwab über die Passvergabe an die georgischen Mingrelier im Grenzgebiet Gali stolperte, ergab sich Chadschimbas Chance. Seine Anhänger stürmten den Präsidentenpalast. Unter Moskaus Regie wurden Neuwahlen vereinbart.

Vertiefte Beziehungen

Eine Neuausrichtung der Außenpolitik werde es jetzt aber nicht geben, versicherte AbchasiensAußenminister Wjatscheslaw Tschirikba. "Unser traditioneller Kurs besteht in einer Vertiefung der Beziehungen zu Russland und der Suche nach einer Anerkennung durch weitere Staaten", so Tschirikba zum Standard. Eine Integration nach Georgien stand ohnehin bei keinem Kandidaten auf der Agenda.

Interessant dürfte Abchasiens Kurs bezüglich der Ostukraine sein. Derzeit habe man keine offiziellen Kontakte zur dortigen Führung, betonte Tschirikba. Chadschimba hat schon versprochen, die Anerkennung der dortigen "Volksrepubliken" zu erwägen, wenn eine solche Anfrage kommt.

Die größten Umwälzungen gibt es jedoch innenpolitisch: Der Umbau des streng hierarchischen Präsidialsystems in ein semipräsidentielles Regierungssystem soll dem Land mehr Demokratie und weniger Korruption bescheren. Die Gesundung der Wirtschaft soll die finanzielle Abhängigkeit von Russland (derzeit bestehen zwei Drittel des Etats aus russischen Zuwendungen) mindern. Auf dessen Partnerschaft bleibt Abchasien aber angewiesen. (André Ballin aus Suchumi, DER STANDARD, 26.8.2014)