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Für "Gandhi" wurde Richard Attenborough 1983 mit zwei Oscars ausgezeichnet.

Foto: ap

London - Langsam marschieren die weißgekleideten Arbeiter auf die Soldaten zu. Eine Reihe nach der anderen nähert sich den Schlagstöcken und bricht unter den Hieben zusammen. Frauen tragen die bewusstlosen Körper zur Seite, schaffen Platz für die nächsten, die bereit sind, sich gegen die Obrigkeit und Willkür der britischen Besatzer aufzulehnen. Der schmächtige Anwalt, der den sogenannten Salzmarsch anführt, ist nicht nur Symbol des indischen Freiheitskampfes, sondern zugleich Ikone des gewaltfreien Widerstands.

Mit "Gandhi" inszenierte Richard Attenborough 1982 seinen bekanntesten Film, der insgesamt acht Oscars erhielt - zwei davon gingen an Attenborough selber, für die beste Regie und den besten Film.

Attenborough bei der Oscar-Preisverleihung über seinen Film "Ghandi"
Oscars

Mit seinem monumentalen Epos setzte Attenborough Gandhi ein unumstößliches filmisches Denkmal, verhalf seinem Hauptdarsteller Ben Kingsley zu Weltruhm und sich selbst zum Höhepunkt einer jahrzehntelangen Karriere.

Humanistisches Ideal

Begonnen hatte der 1923 geborene Brite als Schauspieler, dessen frühe Theaterarbeit bereits eng mit der Idee von politischer und individueller Freiheit verknüpft war: Bereits während des Zweiten Weltkriegs stand Attenborough im bedrohten London auf der Bühne, diente bei der Royal Air Force und folgte später auch im Kino dem Ruf eines humanistischen Ideals, das er als Schauspieler und Regisseur umzusetzen versuchte.

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Viele seiner kleineren Leinwandauftritte in den 50er-Jahren, etwa in Arbeiten der britischen Regieveteranen John Boulting und Don Chaffey, standen im Zeichen der Versöhnung und des Glaubens an eine Welt, die den Schrecken des Krieges hinter sich lassen möchte. Selbst in Basil Deardens Kriminalfilm-Klassiker "The League of Gentlemen" (1960), in dem er mit einer Gruppe von entlassenen und von der Armee enttäuschten Offizieren eine Bank um eine Million Pfund erleichtert, dominieren hintersinniger Humor und Raffinesse über rohe Gewalt.

Formen der Grenzüberschreitung

Wie sehr Attenborough sich für die Überwindung ideologischer und realer Grenzen bemühte, zeigen in der Folge auch jene Filme, die seinen internationalen Ruhm als Schauspieler festigen sollten: Nach dem ausgeklügelten Einbruch folgte ein ebensolcher Ausbruch aus einem deutschen Kriegsgefangenenlager in John Sturges‘ Drama "The Great Escape" (1963), und in Robert Aldrichs "The Flight of the Phoenix" (1965) kämpfte er an der Seite von James Stewart um eine scheinbar ebenso unmögliche Flucht aus der Wüste.

Diese unterschiedlichen Formen von physischer Grenzüberschreitung verband Attenborough nicht nur in seinen Rollen, sondern auch in seinen späteren Regiearbeiten wiederholt mit der Idee von Selbstüberwindung: Erst das Zusammenwirken von körperlicher und geistiger Beweglichkeit erlaubt ein Vorwärtskommen. Und wie in "Gandhi" gilt es für jeden Einzelnen einen ersten Schritt in die richtige Richtung zu setzen, dem andere folgen können.

Der Trailer zu "Cry Freedom"
eataylan

Noch in "Cry Freedom" (1987) verfilmte Attenborough mit Denzel Washington die Geschichte des Südafrikaners Steve Biko, der seinen Einsatz für die Rechte der Schwarzen mit dem Leben bezahlen musste. Es war dieser Ruf nach Freiheit, dem auch der von der Queen Geadelte zeit seines Lebens folgte. Lord Richard Attenborough starb am Sonntag im Alter von 90 Jahren in Cambridge. (Michael Pekler, derStandard.at, 25.8.2014)