Die 125er-Klasse ist die Liga, in der sich die meisten Hersteller von elektrisch angetriebenen Zweirädern der Power-Klasse breit macht. Die stärkeren E-Motorräder sind dann schon richtig selten – aber auch die Massenklasse zählt immer noch zu den Exoten auf der Straße. Jedenfalls, in der 125er-Klasse hat sich jetzt der neue E-Scooter von BMW, der C evolution, einen Platz gesucht und gefunden.

foto: bmw

Das heißt, die B-Schein-Erweiterung Code 111, reicht als Rennlizenz, um den C evolution ganz legal pilotieren zu dürfen. Das heißt, der BMW-E-Roller hat eine Leistung von 11 kW, rund 15 PS, wie eben jede andere 125er. Dessen sollte man aber besser nicht eingedenk sein, wenn man den Gasgriff in klassenspezifischer Manier beim Start sicherheitshalber gleich einmal versucht, über den Anschlag drüberzudrehen.

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Denn die 11 kW, die gelten quasi allein für die Zulassung und heißen Nennleistung. Weil nun E-Motoren nicht nur wahnsinnig effizient, sondern auch recht belastbar und die Techniker wilde Hund sind, die für die emotionale E-Mobiltät nicht nur die Energie für einen Taschenrechner aus dem Akku saugen, muss man hier eine andere Messlatte anlegen.

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Mit bis zu 35 kW Spitzenleistung, rund 47 PS, sprintet der C evolution in unter drei Sekunden von 0 auf 50 km/h. Diese Leistung fällt zulassungstechnisch nicht ins Gewicht, weil sie immer nur ein paar Sekunden lang abrufbar ist. In der Praxis schaut die Sache aber ganz anders aus. Wann immer man am Gas reißt, stampfen, leise pfeifend, nicht nur die fast 50 PS, sondern auch die permanent anliegenden 72 Newtonmeter ins Hinterrad – erstere bis zu einer Geschwindigkeit von 80 km/h, letztere bis 120.

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Das ist so viel Leistung, dass BMW schnell bemerkt hat, dass sie eine Traktionkontrolle namens Torque Control Assist einbauen müssen, wenn sie nicht wollen, dass die Piloten der Reihe nach ihren grünen Scooter in der etwas dunkler gefärbten Wiese suchen müssen. Zudem greift im Eco-Modus die Rekuperation so stark ein, dass der Hintermann über das Bremslicht gewarnt wird. Auf rutschigem Untergrund könnte das ohne Traktionkontrolle ebenfalls Flügerl verleihen. Aber mit dem elektronischen Helfer ist das alles kein Problem.

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Der C evolution steht dem C 600 und dem C 650 GT also leistungsmäßig bis 80 km/h in nix nach. Und er sieht ihm auch verdammt ähnlich. Dabei ist die E-Version eine vollkommen andere Konstruktion. Sie basiert auf einem Alu-Kasten, der die Batterien trägt und schützt. BMW baut in den Roller übrigens die gleichen Akkus wie im i3 ein, nur halt nicht acht Stück, sondern lediglich drei. Anders als im i3 sind die auch nur luft- und nicht wassergekühlt.

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Mit vollen Akkus gibt BMW eine Reichweite von 100 Kilometer an. In der Praxis kommt das auch ganz gut hin. Wer dauernd am Kabel reißt, wird nicht ganz so weit kommen, wer vorausschauend fährt aber weit über 100 Kilometer fahren. Die leeren Akkus lädt man an einer 16 Ampere abgesicherten Leitung in drei, an einer mit 12 Ampere abgesicherten Steckdose in rund vier Stunden.

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Alles was man also für den perfekten Scooter-Spaß braucht, ist eine Steckdose daheim, vielleicht auch noch eine in der Arbeit, und 15.400 Euro. Das ist halt das Los der Early-Adopter, dass sie etwas tiefer in die Tasche greifen müssen.

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Dafür hat man dann einen außergewöhnlichen Roller, ein beruhigtes Umweltgewissen, eine Hetz, dass die Hälfte reicht, und einen Retourgang. Den braucht man zwar nicht, aber weil der anscheinend so einfach zu implementieren war, ist er jetzt drinnen. Genauso wie ein TFT-Display, das alle Stückerln spielt und vier Fahrmodi, von Eco über Road, und Dynamic bis hin zu Sail.

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Im Eco-Modus etwa liegt nicht die ganze Leistung an, dafür gibt es volle Rekuperation. Beim Sail hingegen wird nur rekuperiert, wenn man eine der Bremsen zieht. Im Dynamic-Modus gibt es volle Leistung und volle Rekuperation. Was auf den ersten Blick wie eine Spielerei klingt, die wir eh schon von konventionellen Fahrzeugen kennen, aber nicht unbedingt nutzt, weil man immer sofort in den sportlichsten Modus schaltet, ist in der Praxis beim C evolution anders. Der Modus-Knopf dürfte schneller abgegriffen sein als der Blinkerschalter, weil die Modi einfach gut funktionieren und wirklich diverse Fahranforderungen ideal erfüllen, sodass man gern umschaltet.

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Es kommt also schon was auf die Code 111-Piloten zu. Nicht nur, dass sie eine fast 50 PS starke Maschine mit einem mörderischen Drehmoment derbändigen dürfen, sondern auch einen 265 Kilogramm schweren Roller – auch wenn das Gewicht beim Fahren nicht spürbar ist, weil er einen sehr tiefen Schwerpunkt hat – mit einer Sitzhöhe von 780 Millimeter.

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Letzteres könnte zur Herausforderung für die 16-Jährigen werden, die ja inzwischen auch schon 125er fahren dürfen. Aber gut, die Godln, die einem ein 16.000 Euro-Moped schenken, die muss man eh erst einmal finden. (Guido Gluschitsch, derStandard.at, 25.8.2014)

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Hinweis im Sinne der redaktionellen Leitlinien: Die Teilnahme an internationalen Fahrzeug- und Technikpräsentationen erfolgt großteils auf Basis von Einladungen seitens der Automobilimporteure oder Hersteller. Diese stellen auch die hier zur Besprechung kommenden Testfahrzeuge zur Verfügung.

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