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Präsident François Hollande (links) mit Premier Manuel Valls Ende Juni.

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Premier Valls (rechts) reichte am Montag den Rücktritt seiner Regierung ein - offenbar im Streit aufgrund regierungskritischer Äußerungen von Wirtschaftsminister Arnaud Montebourg (links).

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Paris – Die seit Monaten zerrissene französische Regierung wurde am Montagmorgen nach heftiger Kritik des Wirtschaftsministers Arnaud Montebourg offiziell von Premierminister Manuel Valls aufgelöst.

Montebourg wird der neuen Regierung, die am Dienstag vorgestellt werden soll, nicht mehr angehören. Der 51-Jährige selbst schloss das am Montagnachmittag aus. Zugleich erneuerte er seine Kritik: Aus seiner Sicht sollten Deutschland und Europa mehr Gewicht auf Wachstumspolitik legen. Von Präsident Hollande forderte Montebourg ein energischeres Auftreten gegenüber der deutschen Regierung.

Bildungsminister Benoit Hamon und Kulturministerin Aurélie Filippetti wollen dem neuen Kabinett ebenfalls nicht mehr angehören, wie "Le Monde" am Montagabend berichtete. Sie kündigten diesen Schritt schon vorher an, sollte sich die Wirtschaftspolitik der Regierung nicht ändern.

Wirtschaftsminister brachte Fass zum Überlaufen

Der derzeitigen Regierungskrise ist ein turbulentes Wochenende vorangegangen, an dem Regierungskritiker Montebourg das Fass zum Überlaufen brachte. In einem Interview mit der Tageszeitung "Le Monde" am Samstag, einer Rede bei einer Veranstaltung des Parti Socialiste am Sonntag und einem Interview im französischen Radiosender Europe 1 am Montag übte Montebourg, der zur Parteilinken gezählt wird, scharfe Kritik an der Wirtschaftspolitik des Präsidenten und der Regierung. Er plädierte für eine Änderung des Wirtschaftskurses, bei dem der Ausweg aus der Wirtschaftskrise zur Priorität gemacht werden solle und der dogmatische Defizitabbau, der lediglich unbiegsame Sparmaßnahmen und Arbeitslosigkeit zur Folge habe, zweitrangig werden solle.

Dass ein Wirtschaftsminister öffentlich die Politik des Präsidenten und des Regierungschefs kritisiert, sei in der französischen Politik bisher noch nie da gewesen, kommentierte Europe-1-Interviewer Jean-Pierre Elkabbach. Auf die Frage, ob Montebourg morgen noch Minister sein werde und er denn nicht Konsequenzen seiner öffentlichen Aussagen fürchte, antworte dieser Montag früh noch: "Das ignoriere ich einmal. Ich weiß jedoch, dass ich seit zwei Jahren immer dasselbe sage und dass jetzt die Tatsachen auf dem Tisch liegen."

Beobachtern zufolge könnte Montebourg mit seiner öffentlichen Kritik den Konflikt absichtlich auf die Spitze getrieben haben, um sich gegen Hollande als Rivale im Präsidentschaftswahlkampf 2017 in Stellung zu bringen. Mit einem Rauswurf Montebourgs aus der Regierung könnte Hollande jedoch seine parlamentarische Mehrheit für die geplanten Reformen riskieren, da Montebourg linke Abgeordnete auf seine Seite bringt.

Sinkende Umfragewerte, stagnierende Reformen

Kritik wurde jedoch nicht nur aus Regierungskreisen laut. Auch die französische Bevölkerung drückte ihren Unmut aus: Die jüngste Meinungsumfrage des Ifop-Instituts, das seit 1958 die Beliebtheit der französischen Staatschefs misst, wurde am Sonntag in der Zeitung "Journal du Dimanche" veröffentlicht. Ihr zufolge hat François Hollande seinen eigenen Negativrekord um einen weiteren Prozentpunkt gebrochen. Lediglich 17 Prozent der Franzosen befürworten den Präsidenten, der somit der unbeliebteste Staatschef seit einem halben Jahrhundert ist.

Ein weiteres Rekordtief fuhr Premierminister Manuel Valls ein. Seine Beliebtheit büßte in den letzten drei Monaten 15 Prozentpunkte ein, nur 36 Prozent der Befragten ließen sich von seiner Politik überzeugen. Aus diesen und anderen Gründen hat Valls, der erst seit fünf Monaten im Amt ist, am Montag offiziell den Rücktritt seiner Regierung angeboten.

Der Unmut der Bevölkerung hängt vor allem mit dem langsamen Fortschritt bei den von Hollande groß angekündigten Reformen zusammen. Bei den Wahlen 2012 versprach er noch, bis 2013 das Haushaltsdefizit auf drei Prozent zu senken und in der gleichen Zeitspanne die Arbeitslosenquote deutlich zu bessern. Valls und Hollande ist es bisher jedoch nicht gelungen, ein Rezept gegen die hartnäckige Arbeitslosigkeit in der zweitgrößten Volkswirtschaft im Euroraum zu finden.

Hinzu kommt, dass die von der EU festgelegte Drei-Prozent-Marke des Haushaltsdefizits laut Finanzminister Michel Sapin in weiter Ferne liegt. Bislang sei man von einem Wirtschaftswachstum von mehr als einem Prozent ausgegangen, wohingegen die französische Regierung vergangene Woche durchblicken ließ, dass das Bruttoinlandsprodukt in diesem Jahr mit 0,5 Prozent nur halb so stark zulegen werde wie bislang angenommen. Auch die Neuverschuldung wird Sapin zufolge in diesem Jahr wohl über der Vier-Prozent-Marke liegen.

In einem Interview mit der Tageszeitung "Le Monde" vergangene Woche machte François Hollande jedenfalls geopolitische Unsicherheiten wie die Ukraine- oder die Irak-Krise und das Sparprogramm in Europa für die ausbleibenden Erfolge verantwortlich. (Judith Moser, derStandard.at, 25.8.2014)