Salzburg - Das auch showmäßig fulminante Simón Bolívar Orchestra lässt Salzburg heuer nicht erbeben. Auch die Wiener Philharmoniker können indes tänzerisch aus ihrer Gelassenheit austreten und an die abwesende Bolívar-Jugend erinnern - wenn es eine Partitur erfordert: Der philharmonische Kollege René Staar hat mit Time Recycling op. 22 ein viele Stilwelten streifendes Werk geschrieben, in dem sich auch die europäische Moderne gesten- und kontrastreich entfaltet.

Zum Schluss hin jedoch verordnet er eine Reise ins Unterhaltsame: Es bemächtigt sich eine wehmütige südamerikanische Kantilene der ersten Geigen. Und die folgende perkussive Fröhlichkeit des Schlagwerks animiert die Kontrabassgruppe, mit ihren Instrumenten ein Tänzchen zu riskieren. Dirigent Gustavo Dudamel, der seine Weltkarriere beim Bolívar Orchestra begonnen hat, ist für diesen Ausbruch der Unbeschwertheit ein routinierter Moderator. Auch bei Strauss' Tondichtung Also sprach Zarathustra sorgte er später übrigens uneitel für die opulente Entfaltung philharmonischer Kräfte.

Wo sich Suche lohnt

Auch an diesem Konzert war Grundsätzliches zu bemerken: Aktuelle Werke und jene des 20. Jahrhunderts muss man bei den Festspielen großteils im Dickicht des obligaten klassisch-romantischen Repertoires suchen. Aber die Suche lohnt sich - an Angeboten, auch unter dem Titel Salzburg Contemporary zusammengefasst, fehlt es nicht. Selbst in der kommenden, finalen Festivalwoche: Am Montag etwa wird Wolfgang Rihms 2. Klavierkonzert durch Tzimon Barto und das Mahler-Jugendorchester uraufgeführt. Am 30. 8. spielt Geigerin Anne-Sophie Mutter unter anderem André Previn und Krzysztof Penderecki. Und auch das Concertgebouw Orchestra (unter Mariss Jansons) wird am Schlusstag des Festivals (31. 8.) zwischen Schostakowitsch und Ravel ein Rihm-Stück postieren.

Mozart und Moderne

Das zeigt eine sandwichartige Einbettung des Neuen ins jeweilige Traditionsprogramm. Immerhin ermöglicht die Methode aber, das Ungewohnte etwa im Großen Festspielhaus einem breiten Publikum nahezubringen. Auch Daniel Barenboim programmiert in diesem Sinne, eröffnet im Festspielhaus mit seinem West-Eastern Divan Orchestra mit Mozarts Ouvertüre zu Le nozze di Figaro. Er geht dann allerdings mit Ayal Adlers Resonating Sounds sogleich ins 21. Jahrhundert.

Mit ausgeprägtem Sinn für atmosphärisch starke Orchesterfarben lässt Adler Cluster und Einzelstatements behutsam aufeinanderprallen und etwa Klavierlinien mit Schlagwerkpointen plaudern. Und kommt es zu heftigen kollektiven Entladungen, so entspannen sich diese, werden zu friedvollen Momenten, die wie musikalische Tropfsteinhöhlen wirken. Interessantes, kompaktes Werk.

Kareem Roustoms nachfolgendes Ramal neigte eher zu rhythmisch prägnanter Anlage. Besonders markant wirkten jene intensiven Passagen, die an Strawinskis wuchtiges Meisterwerk Sacre du printemps gemahnten. Ramal damit auch eine effektvolle Reflexion über die klassische Moderne. (Ljubiša Tošić, DER STANDARD, 25.8.2014)