Da hat er schon recht, der oberösterreichische Landeshauptmann Josef Pühringer, wenn er meint, für eine "staatstragende" Regierungspartei gehe es nicht an, dass sie dauernd bei "20 Prozent herumgrundelt". Tatsächlich ist die Schwäche der ÖVP (ebenso wie die geringfügig schwächere Schwäche der SPÖ) vor dem Hintergrund einer erstarkenden FPÖ demokratierelevant.

Was tun? "Zusammenreißen", sagen die einen ÖVPler, andere glauben an das seit Äonen verschriebene Wundermittel "unsere Politik besser verkaufen", und Landeshauptmann Günther Platter (Tirol) empfahl, die Bundes-ÖVP müsse mehr auf die Landeshauptleute hören, denn die seien "näher beim Bürger". Ja, beim Verbrennen von Geld für allerlei Wahlgeschenke, das z. B. jetzt für eine dringend notwendige Steuersenkung fehlt.

Im Ernst: Wie können gemäßigte Parteien in schwierigen Zeiten halbwegs wieder Boden unter den Füßen gewinnen? Zunächst einmal, indem ihre Politik den Bedürfnissen einer ausreichenden Zahl von Wählern entspricht. Das ist in Österreich leicht zu diagnostizieren: Die Älteren machen sich Sorgen um ihre soziale und medizinische Absicherung, die Jüngeren um ihre berufliche Zukunft, beide zusammen um die Teuerung und die stagnierenden Einkommen. Ein beträchtlicher Teil betrachtet die (muslimische) Parallelgesellschaft mit Unbehagen.

Die Wähler müssen überdies das Gefühl haben, dass kompetente Personen sich um diese Probleme kümmern. Auch wenig beliebte Politiker wie Wolfgang Schüssel (2002: 42 Prozent) können erfolgreich sein, solange sie den Eindruck vermitteln, sie wären kompetent. Überflüssig zu sagen, dass die jetzige Führungscrew in ÖVP und SPÖ in beiden Feldern nicht adäquat positioniert ist.

Die ÖVP ist schlechter dran, weil die Landesfürsten dem Obmann keine Luft lassen (Werner Faymann wird allerdings auch mehr und mehr zum Gefangenen, diesfalls der Gewerkschaft). Hier durchsetzen kann sich nur ein VP-Chef mit breiter Popularitätsbasis oder ein Machiavellist wie Schüssel. Michael Spindelegger fällt unter keines dieser Kriterien.

Die ÖVP ist ziemlich bedroht. Ein Versuch, diesen Trend umzukehren, müsste wohl so aussehen: ein klar strukturiertes Programm der sozialen Marktwirtschaft, das der großen Mittelschicht wieder eine Perspektive gibt. Steuersenkung im unteren und mittleren Bereich, aber auch Senkung der Sozialversicherungsbeiträge. Finanziert werden müsste das ganze Paket mit einer drastischen Kürzung bei den 17 Milliarden Euro Förderungen und durch energisches Abbremsen der Dynamik bei den staatlichen Pensionszuschüssen. Das geht nur durch Einbremsen der Frühpensionen (und Abdrehen der Entstehung von neuen Ansprüchen auf Zusatzpensionen im staatsnahen Bereich). Dann bleibt immer noch eine Finanzierungslücke, die man durch leichte Anhebung der Grundsteuer schließen könnte (nur das bringt genug Einnahmen ohne unzumutbare Belastung der Mittelschicht). Da die Grundsteuer an die Gemeinden geht, müsste man diesen und den Bundesländern Geld aus dem Finanzausgleich wegnehmen.

Wer so etwas in der ÖVP durchbringt, ist ohnehin ein Titan. In einer Koalition mit der SPÖ geht das aber schon überhaupt nicht, weil sie bei ihrer Hauptklientel Pensionisten nicht nachlassen kann. Der künftige ÖVP-Titan müsste also eine Dreierkoalition mit den Neos und den Grünen anstreben, wofür sich die ÖVP gesellschaftlich und wirtschaftspolitisch liberalisieren müsste.

Klingt utopisch? Und wie! Die Realität wird wohl anders aussehen. Aber so weitermachen geht auch nicht. (Hans Rauscher, DER STANDARD, 23.8.2014)