Schuh für mehr Profil: "Mo with High Heel", inszeniert vom Fotografen Ivo Hofsté.

Foto: Ivo Hofste

Wien - Berühren Sie beim Gehen eigentlich den Boden? Oder steht nicht vielmehr etwas zwischen Ihnen und dem Untergrund? Etwas, das so selbstverständlich ist, dass man es gemeinhin als zweite Haut wahrnimmt? Gemeint sind Schuhe, jener grundlegende Beitrag zur Emanzipation des Menschen von den Widrigkeiten seines Lebensraums: Wenn man sich empfindungstechnisch weniger um einzelne Bodenunebenheiten kümmern muss, ist der Kopf frei fürs Zivilisiertsein und mehr.

Dass sich für Schuhträger jeder Schritt gleich anfühlt, ob er nun auf Moos, Erde oder Asphalt gesetzt wird, ist ewiges Thema barfüßiger Kulturpessimisten. Andere haben unterdessen den Schuh weiterentwickelt, mitunter weit über dessen bloße Funktionalität hinaus und bis in sein Gegenteil.

Der Schuh als Medium

Welch absurde Geschichten über das autonom gewordene Objekt Schuh erzählt werden können, ist derzeit in der Ausstellung Shoeting Stars im Kunsthaus Wien zu bestaunen. Mit mehr als 220 Stücken von Designern, Künstlern und Architekten sind zwei Ebenen des Hundertwasserbaus angeräumt. Die meisten Exponate sind Konzeptschuhe, also solche, deren Träger gottlob nur gedanklich umknöcheln können.

Da gibt es etwa die halsbrecherischen Plateauschuhe des Texaners Omar Angel Perez, die mit Riemen aus gebogenen Sägeblättern versehen sind. Bei anderen, die aus Besteck gebaut sind, sitzt die Ferse in einem Suppenlöffel. Harmloser sind da schon Schuhe, deren Absätze aus Würfelchen bestehen und deshalb verpixelt erscheinen. Für ein Schmunzeln sorgen Vampirjäger-Sandalen, deren Riemchen aus Knoblauch bestehen, während der Absatz Kruzifix und Holzpflock vereint.

Im Zentrum stehen, ganz dem gängigen Klischee entsprechend, Damenschuhe. High Heels, diese Antithese zur Mobilität, werden in unzähligen, mehr oder weniger tiefsinnigen Variationen präsentiert. Erotik und Tod sind allgegenwärtig. Zwischen Kapiteln, die zum Beispiel "Emotion and Fantasy", "Fashion Victims" oder "Walk on the Wild Side" heißen, stellen sich Besucher wichtige Fragen wie "Wer soll das tragen?" oder "Wie schaut denn das aus?". Tiefergehende Reflexionen sind möglich, werden von der kunterbunten Schau aber nicht unbedingt nahegelegt.

Design frisst Kunst

Dass sich unter den Exponaten auch Kunst befindet, kann einem mitunter entgehen. Arbeiten, die durchaus einen zweiten Blick wert wären oder ganze Räume allein füllen könnten, erscheinen dicht gedrängt mit der Oberfläche verpflichteten Designstücken - und werden dadurch um ihre Substanz und Wirkungskraft gebracht. Alles wird eingeebnet. Wenn Kuratorin Brigitte Woischnik, wie sie erklärte, "dezidiert nicht am Thema 'Schuh in der Kunst' anstreifen" wollte, hätte sie konsequenterweise manche Arbeiten nicht einbinden dürfen.

Da gibt es etwa eine körperlich zu erfahrende Arbeit von Birgit Jürgenssen, in der Schuhabsätze zu Körperprothesen werden - ähnlich wie die berühmten Passstücke von Franz West. Bei Shoeting Stars rückt Jürgenssens Fotoarbeit in die Nähe eines Kinderschuhs des Labels Rosa Mosa, dessen Materialangabe einem Warenetikett gleicht: "Wolle von österreichischen Schafen".

Shoeting Stars beruht auf einer Schau, die 2013 im Grassi Museum für Angewandte Kunst in Leipzig zu sehen war. Für das Kunsthaus Wien hat man die Schau um österreichische Positionen erweitert, etwa um Pumps aus Schokolade von Irene Andessner. Zu sehen ist aber auch ein Foto der selbstgemachten Schuhe des "Hausherrn" Friedensreich Hundertwasser. (Roman Gerold, DER STANDARD, 23./24.8.2014)