Bild nicht mehr verfügbar.

Refat Tschubarow, die politische Leitfigur der Krimtataren, äußerte sich des öfteren gegen die russische Annexion der Krim. Am 5. Juli wurde ein Einreiseverbot gegen ihn verhängt. Für die nächsten fünf Jahre soll ihm verwehrt bleiben, in seine Heimat zurückzukehren.

Foto: Reuters/Shamil Zumatov

Bild nicht mehr verfügbar.

Bei einer Demonstration gegen die russische Annexion der Krim halten Protestierende ukrainische und krimtatarische Flaggen. Die kleineren Volksgruppen auf der Krim befürchteten, kein Mitspracherecht mehr zu haben.

Foto: Reuters/Vasily Fedosenko

Bild nicht mehr verfügbar.

Viele, die für den Anschluss der Schwarzmeerhalbinsel an Russland gestimmt haben, sind Monate nach dem Referendum enttäuscht und sehen sich mit zahlreichen Problemen konfrontiert.

Foto: APA/EPA/Hannibal Hanschke

Die Krim ist seit Jahren eine beliebte Urlaubsdestination. Diesen Sommer seien laut der ukrainischen Historikerin Gulnara Bekirowa jedoch viele Hotels und Strände leer geblieben.

Wien - Am 16. März wurde auf der Krim das „Referendum über den Status der Krim“ abgehalten. Wenige Tage später unterzeichnete der russische Präsident Wladimir Putin das Gesetz zur Eingliederung der Krim als autonomes Gebiet in die Russische Föderation. Bei einer Wahlbeteiligung von rund 83 Prozent haben rund 96 Prozent der Wahlberechtigten für den Anschluss an Russland gestimmt, hieß es offiziellen Angaben zufolge kurz nach dem Referendum. Dass diese Ergebnisse nicht ganz richtig sein können, war vielen Bewohnern und Beobachtern bereits damals bewusst.

Ein Großteil der Bevölkerung der Halbinsel Krim setzt sich zwar aus ethnischen Russen zusammen, ethnische Ukrainer und Krimtataren stellen mit rund 27 respektive 14 Prozent jedoch die zweit- beziehungsweise drittgrößte ethnische Gruppe. Letztere haben sich offen gegen eine russische Annexion ausgesprochen, da sie fürchteten, im Falle eines Anschlusses, in allen wesentlichen Belangen von der russischen Mehrheit überstimmt zu werden. Aus diesen Gründen waren die genannten Ergebnisse rein rechnerisch unwahrscheinlich.

Enttäuschung nach der Annexion groß

Rund einen Monat später, am 21. April, wurde dies auch in einem Bericht des „Menschenrechtsrats beim Präsidenten der Russischen Föderation“ bestätigt: Bei einer Wahlbeteiligung von 30 bis 50 Prozent stimmten dem Bericht zufolge 50 bis 60 Prozent der Wähler für eine Eingliederung in die Russische Föderation. Im ukrainischen und russischen Fernsehen äußerten Teilnehmer am Referendum Erwartungen und Hoffnungen: von neuen Arbeitsplätzen und einem Gefühl der Verbundenheit zu Russland war oft die Rede. Sprecher der drittgrößten Volksgruppe der Halbinsel, der Krimtataren, bekundeten hingegen offen ihr Unbehagen hinsichtlich der bevorstehenden Ereignisse.

Fünf Monate nach der Abstimmung zogen die Historikerin und Journalistin Gulnara Bekirowa und Refat Tschubarow, ein bedeutender politischer Vertreter der Krimtataren, am Wiener Institut für die Wissenschaften vom Menschen erste Schlussfolgerungen: „Die Enttäuschung ist groß, weil die Erwartungen groß waren. Die Wähler, die für den Anschluss an Russland gestimmt haben, dachten, dass am nächsten Tag alles anders sein würde. Die Situation hat sich jedoch nicht nur nicht zum Besseren verändert, sondern sich sogar verschlechtert. Jetzt sind viele enttäuscht.“ meinte Tschubarow.

"So habe ich die Krim noch nie erlebt"

Dem stimmte auch Bekirowa, die kurz vor ihrer Reise nach Wien für einige Tage auf der Krim war, zu. Trotz russischer Maßnahmen zur Förderung der Krim gebe es den Referenten zufolge zahlreiche rechtliche und wirtschaftliche Probleme, die Preise seien gestiegen und auch der Tourismus leide. „So habe ich die Krim noch nie erlebt – Geldautomaten funktionierten nicht, zahlreiche Hotels standen leer, auf Stränden weit und breit keine Menschenseele…Und im Zug von Simferopol nach Moskau war ich neben dem Schaffner der einzige Fahrgast.“ erläuterte die Historikerin.

Bekirowa, die eine Sendereihe im krimtatarischen TV-Sender ATR leitet, beklagte sich insbesondere über die geänderten Rahmenbedingungen für Journalisten in den letzten Monaten. „In all den Jahren, in denen ich in der Ukraine lebe und arbeite, hatte ich mir nie Gedanken darüber gemacht, was ich vor der Kamera sagen sollte oder nicht. In den letzten Monaten hat sich Journalismus auf der Krim drastisch verändert und viele meiner Kollegen leiden unter der russischen Zensur.“

Fünfjähriges Einreiseverbot

Die Probleme auf der von Russland annektierten Halbinsel beschränken sich jedoch nicht nur auf Zensur und Wirtschaft. Auch manche Befürchtungen der Krimtataren haben sich bewahrheitet. Am 18. März betonte der russische Präsident Putin in einer Rede im Kreml noch, dass „alle Nationalitäten auf der Krim berücksichtigt werden“ und es demnach drei Amtssprachen geben werde: Russisch, Ukrainisch und Krimtatarisch. Tschubarow zufolge wird dies jedoch nur halbherzig umgesetzt.

Er fordert, dass zumindest zukünftigen Generationen ermöglicht werde, Unterricht in ihrer Muttersprache zu erhalten und mindestens eine weitere Amtssprache in der Schule zu lernen. Geht es nach der russischen Regierung, kann man jedoch kein Kind zwingen, eine Sprache zu lernen: Unterrichtssprache bleibe an den meisten Schulen Russisch, die beiden anderen Sprachen können auf Wunsch der Eltern zu Hause gefördert werden.

„Umgekehrt ist an den wenigen ukrainischen und krimtatarischen Schule Russisch Pflicht“, merkte Tschubarow, gegen den wegen "extremistischen Verhaltens" am 5. Juli ein fünfjähriges Einreiseverbot auf die Halbinsel verhängt wurde, an. „Das Leben der krimtatarischen Bevölkerung in der Ukraine war in den letzten 23 Jahren durchaus nicht einfach, aber die Situation konnte sich in einer nach Europa strebenden Ukraine nur zum Besseren entwickeln. Deshalb soll die Krim eine Priorität für die ukrainische Regierung bleiben.“ (Judith Moser, derStandard.at, 22.08.2014)