Nur nicht den Gremien vorgreifen! Wenn das hohe Gut der Demokratie in ihrer erbaulichsten Form, nämlich der innerparteilichen, so fröhliche Urständ feiert wie dieser Tage in der SPÖ, dann tritt endlich der Unterhaltungswert der Politik in seine Rechte: Wann bekommt man schon unverhüllt zu sehen, wie Spitzenpolitiker sich reihenweise verbiegen in dem Bemühen, so zu tun, als könnten sie gar nicht wissen, worüber alle Welt redet, ehe die Partei es erlaubt. Besonders die von personellen Veränderungen Betroffenen boten Spitzenleistungen in demokratischem Byzantinismus. So bekundete Doris Bures - zweifellos reinen Herzens - die Auffassung, dass es einer Einzelperson nicht zustehe, Entscheidungen vorzugreifen.

Wo die Maxime gilt "Die Partei ist nichts, die Kronen Zeitung alles", lässt sich in solchen Beschwörungen als ideologische Basis der aktuellen SPÖ so etwas wie dialektische Nostalgie erkennen: Eine leise Ahnung, wie es sein sollte, hält sich noch. Aber wer weiß, vielleicht wurde die Personalrochade ja in der Redaktion der Krone beschlossen, ohne jede Vorwegnahme einer lupenrein sauberen Entscheidung im Bauch der SPÖ? Dass "durchgesickert" sein könnte, worauf sich die Schwarmintelligenz eines Parteivorstandes, unbeeinflusst von der Vorentscheidung einer Einzelperson, erst nächste Woche festlegen wird, ist schlechterdings undenkbar. Bei allem demokratischen Zentralismus - wer in dieser Partei würde schon aus seinem Herzen eine Sickergrube machen?

Wen wundert's, wenn es dann Funktionäre gibt, die sich schwere Sorgen darüber machen, was eigentlich der Parteivorsitzende noch mitzureden hat, wenn die Familie Dichand nun auch schon bestimmt, wer das zweithöchste Amt im Staate bekommen soll. Ihre Angst ist aber unbegründet, denn er selber hat betont, er wolle, anders als die Krone, den Gremien keineswegs vorgreifen, weshalb eine unvoreingenommene Diskussion garantiert ist. Die Öffentlichkeit muss aber voraussichtlich keine Überraschungen fürchten. Das Argument, es sei schon in der Krone gestanden, muss jeden Funktionär von der politischen Weisheit des Blattes überzeugen.

Womit die SPÖ erfrischt und bestens gerüstet die politische Herbstarbeit in Angriff nehmen kann. Das ist aber gar nichts im Vergleich zu den Energien, die zurzeit in der Volkspartei freigesetzt werden. Glaubt man ihren Landeshauptleuten, ist dort eine Revolution in den Gliedern unter möglichster Schonung des Hauptes angesagt. Das kommt einer Quadratur des Kreises schon ziemlich nahe, und der Stil, in dem die Herren Pühringer und Platter in den letzten Tagen ihre Meinung zu diesem Thema kundgaben, war deutlich mehr Klartext als ein Durchsickern. Sie wollen mehr als ein Grundeln bei 20 Prozent. Pühringers Rezept für die ÖVP ist ein "Turnaround, unausweichlich und absolut alternativlos", Platter fordert eine Trendwende bzw. eine Kurskorrektur. Und obwohl Michael Spindelegger für einen Obmann der Volkspartei schon lange im Amt ist, wollen sie alles, nur keine Obmanndebatte, was übersetzt heißt, dieselbe ist hiemit eröffnet.

Spindelegger fehlt einfach der Draht zur Krone. (Günter Traxler, DER STANDARD, 22.8.2014)