Zu Beginn des Vormarsches der radikalen Miliz Islamischer Staat (IS) sah es für die Kurden im Irak gar nicht so schlecht aus. Die irakische Armee legte trotz zahlenmäßiger Überlegenheit schnell ihre Waffen nieder und floh aus eigentlich von der Zentralregierung kontrollierten Gebieten im Norden – eine willkommene Chance für die Kurden und ihre Peschmerga-Armee, die daraufhin bis nach Kirkuk und in seine ölreiche Umgebung vorrücken konnte.

Nach kurzzeitigen Rückschlägen (vor allem weil zunächst erwartet worden war, dass die IS in Richtung Bagdad marschieren würde) ist es den Kurden mit Unterstützung irakischer und US-amerikanischer Luftangriffe gelungen, den strategisch wichtigen Staudamm nahe der Stadt Mossul von den radikalen Islamisten zurückzuerobern. Seit Anfang August hatte die IS die Kontrolle über den größten Staudamm und damit über die Strom- und Wasserversorgung weiter Teile des Landes.

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Kurdische Peschmerga-Kräfte auf dem Staudamm in Mossul am Donnerstag.
Foto: REUTERS/Youssef Boudlal

Doch wer sind die Peschmerga-Kämpferinnen und -Kämpfer, die anscheinend als Einzige auf irakischem Boden imstande sind, Erfolge gegen die IS zu erzielen?

Sie bilden die Armee des kurdischen Autonomiegebiets und haben ihre Wurzeln in losen Stammesverbänden des Osmanischen Reichs Ende des 19. Jahrhunderts. Als organisierte Kampfeinheit traten sie nach dem Zusammenbruch des Osmanischen Reichs auf und bekämpften unter dem Namen "Peschmerga" daraufhin Jahrzehntelang diverse Zentralregierungen Bagdads. In übertragenem Sinn kann man Peschmerga mit "Die dem Tod ins Auge Blickenden" übersetzen. Das oberste Kommando über die Soldaten hat das Peschmerga-Ministerium der kurdischen Regionalregierung in Erbil.

Die Armee umfasst nach Angaben des US-Thinktanks Washington Institute for Near East Policy mehr als 130.000 Kämpfer, das tatsächliche Militär besteht jedoch aus lediglich 33.000 Soldatinnen und Soldaten (seit 1996 sind darunter auch Frauen). 30.000 weitere bewaffnete Kräfte unterstehen dem kurdischen Innenministerium und sind eher mit Einsatzkräften der Polizei vergleichbar. Weitere 70.000 Kämpfer befinden sich in kleineren Einheiten, die direkt und jeweils unabhängig von den zwei größten Parteien kontrolliert werden, der Kurdischen Demokratischen Partei (KDP) und der Patriotischen Union Kurdistans (PUK).

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Die KDP wird von der Familie Barzani angeführt (rechts im Bild: der kurdische Präsident Massud Barzani), die PUK von der Familie Talabani (links im Bild: der ehemalige irakische Präsident Jalal Talabani).
Foto: AP Photo/Safin Hamed

Die enge Verbindung zu den politischen Parteien führt jedoch auch dazu, dass die Truppe durch politische Rivalitäten und die schlechte Koordination zwischen KDP und PUK geschwächt wird. Die KDP dominiert den Norden, die PUK den Süden der kurdischen Autonomieregion – vor allem bei Kirkuk konkurrieren die beiden Parteien jedoch um Einfluss.

Die Peschmerga sind vorwiegend mit leichtem Kriegsgerät ausgerüstet. Das schwere Kampfmaterial der Truppe ist weitgehend veraltet, zum großen Teil handelt es sich um erbeutete Panzer, Transportfahrzeuge und Panzerabwehrsysteme aus der Ära Saddam Husseins, die in der ehemaligen Sowjetunion hergestellt wurden.

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Soldatinnen einer Eliteeinheit der Peschmerga in Sulaimaniyah Anfang Juli, 260 Kilometer nördlich von Bagdad. Seit 1996 kämpfen auch Frauen bei den Peschmerga.
Foto: AP

Vor allem in Hinblick auf diese eher schwache militärische Ausrüstung richten Kurdenführer im Nordirak verstärkt Appelle an die internationale Gemeinschaft und bitten um Waffenlieferungen. Der Präsident der irakischen Kurden, Massud Barzani, sagte bereits Mitte Juli: "Um die IS zu bekämpfen, müssen die Peschmerga weitaus besser ausgerüstet sein als jetzt."

Die IS ist zwar zahlenmäßig unterlegen (die meisten Schätzungen gehen von einigen tausend bis maximal 20.000 Kämpfern aus), hat jedoch während ihres Vormarschs im Nordwesten des Irak zahlreiche in den USA hergestellte Waffen der irakischen Armee erbeutet sowie schwere Waffensysteme aus Syrien. Durch die Eroberung des syrischen Militärflughafens Tabqa soll die IS-Miliz nun auch im Besitz tragbarer Luftabwehrsysteme sein. Aus den USA und Teilen Europas kommt deshalb bereits verstärkt militärische Unterstützung in den Nordirak. Auch Mitglieder der Kurdische Arbeiterpartei (PKK) sowie der syrischen Partei der Demokratischen Union (PYD) unterstützen die irakischen Einheiten im Kampf gegen IS.

Mitte August hieß es, dass seit Juni nach Angaben der Autonomieregierung im Nordirak 150 Peschmerga getötet und 500 verwundet wurden. Am Wochenende wurden zudem Einheiten kurdischer Peschmerga zum Ziel von Bombenanschlägen, als in Kirkuk bei der Explosion dreier Autobomben mindestens 20 Menschen getötet und 65 verletzt wurden – gezielte Angriffe der IS auf kurdische Einheiten nehmen also zu.

Die Front zwischen den IS-Terroristen und den Peschmerga ist zudem mehrere hundert Kilometer lang und damit schwer zu sichern, was es der IS ermöglicht, Schwachstellen an der Grenze auszumachen und die Peschmerga trotz ihrer zahlenmäßigen Unterlegenheit überraschend anzugreifen. (Noura Maan, derStandard.at, 28.8.2014)