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In den Sechzigerjahren waren Kaufhäuser wie Karstadt (hier in Berlin-Steglitz) noch viel frequentierte Konsumtempel.

Foto: apa

Berlin - Ist das Zufall? Oder Sinnbild? "Tür defekt" steht auf einem Schild an der gläsernen Eingangstüre. Wer die Karstadt-Filiale in Berlin-Wedding betreten will, muss ein bisschen aufpassen.

Pensionistin Hildegard stört das nicht. Zielstrebig steuert sie die Schuhabteilung im Erdgeschoß an, sie braucht heute neue Hausschlapfen. Von René Benko, der die defizitäre Karstadt-Kette von Nicolas Berggruen übernommen hat, hat sie in der Zeitung gelesen.

"Man weiß ja nicht, was der im Schilde führt", sagt die 76-Jährige. Für sie braucht er nichts ändern, denn: "Ich geh schon mein Leben lang zu Karstadt, da krieg ich alles, was ich brauche." Nebst Hausschlapfen auch Töpfe, Zwirn, Schokolade und Unterwäsche.

All das also, was einst das deutsche Wirtschaftswunder ausmachte und deutschen Ketten wie Karstadt, Hertie, Horten, Kaufhof oder Wertheim jahrelang Glanzzeiten bescherte. Man ging dort nicht bloß mal schnell einkaufen, der Besuch im Warenhaus war ein Erlebnis für die ganze Familie.

"Früher waren Warenhäuser sehr stark emotional verbunden mit Konsumtempeln", sagt Handelsexperte Jörg Funder von der Fachhochschule Worms. Natürlich gibt es auch heute noch die Flaggschiffe wie das Berliner KaDeWe (Kaufhaus des Westens), Oberpollinger in München oder das Alsterhaus in Hamburg, die Benko schon allesamt vor einem Jahr übernommen hat.

Jetzt kommt der Schlussverkauf mit den 83 ganz "normalen" Filialen, in denen Glanz und Glamour so zu Hause sind wie ein Eskimo in der Wüste. Natürlich ist die Karstadt-Filiale im Wedding - wie auch andere in anderen Städten - nicht zum Davonrennen hässlich. Aber wirklich zum Flanieren und optischen Genießen lädt auch nichts ein. Fliesen- und Holzböden glänzen im Neonlicht, der Deckenverkleidung hängt der Charme der Achtzigerjahre an. Es ist alles einfach nur praktisch.

Kein Shopping-Erlebnis

Dementsprechend belustigt reagiert die junge Mutter Caroline auf die Frage, ob sie hier öfter ein Shopping-Erlebnis habe. "Nö, zum echten Shoppen fahr ich in eines der großen Center", erklärt sie. Bei Karstadt kauft sie nur schnell das Nötigste, in diesem Fall Schulhefte für Sohn Joel.

"Das genau ist unser Problem", sagt eine Verkäuferin, "wir haben bei Karstadt nur soliden Einheitsbrei, aber keine interessanten Sachen, nichts Spezielles, wofür die Kunden extra herkommen." 51 Jahre alt ist sie und eine der wenigen, die über die Befindlichkeit der Belegschaft spricht.

Es ist viel von "Resignation" und von "Dienst nach Vorschrift" die Rede, von Durchtauchen bis zur Pension, wenn das überhaupt zu schaffen ist - man weiß ja nicht, was Benko vorhat. "Die Eigentümer haben nie wirklich investiert, immer nur Geld herausgezogen. Mit Handel hat das nichts mehr zu tun", klagt die Mitarbeiterin.

An Signa und Benko mag sie nicht mehr glauben: "Vor vier Jahren wurde uns Nicolas Berggruen als Retter angepriesen. Und was ist daraus geworden?" Sie selbst hat früher versucht, Vorschläge für Verbesserungen zu machen - etwa mehr auf die lokalen Bedürfnisse von Kunden einzugehen.

Im Wedding, wo viele junge Menschen wohnen, seien etwa stets die neuesten Markenturnschuhe gefragt. "Aber man hat nicht auf uns gehört und uns stattdessen das übliche Sortiment geschickt, das alle bekommen."

Neidisch schauen sie und ihre Kolleginnen manchmal auf den Konkurrenten Kaufhof (Metro) am Alexanderplatz. Dort sei alles viel luxuriöser, was viele Russen anziehe: "Die sind reich, das sichert Arbeitsplätze."

Wieder draußen auf der Straße. An der defekten Karstadt-Tür vorbei gehen viele, die die Filiale keines Blickes würdigen. Evren, ein junger Deutsch-Türke, ist einer von ihnen. Kauft er manchmal bei Karstadt? "Ey, bin isch alte Oma, oder was?", antwortet er.

Warum nicht? Evren überlegt: "Da gibt's doch nur so ödes Zeug, WC-Bürsten und gruselige Strickpullover." Aber keine ordentliche Elektronikabteilung mit den neuesten Computerspielen. Und überhaupt: "Heute brauchst du gar kein Kaufhaus mehr, es gibt doch alles im Internet." (Birgit Baumann aus Berlin, DER STANDARD, 21.8.2014)