Die sanfte Marie entwickelt Angriffslust: Sonia Suhl im dänischen Horrorfilm "When Animals Dream".

Foto: Thimfilm

Wien - In der kleinen Küstengemeinde im dänischen Jütland ist die blasse junge Marie eine Außenseiterin. Sie wohnt noch bei ihren Eltern. Die Mutter sitzt im Rollstuhl, der Vater pflegt diese liebevoll und geduldig, auch Marie scheint ihr sehr zugetan. Aber die Krankheit der Mutter ist ein Tabu - erst, als Marie an ihrem eigenen Körper ungewöhnliche Symptome entdeckt, entwickelt sie eine Ahnung, worum es sich dabei handeln könnte.

When Animals Dream / Når dyrene drømmer ist das Spielfilmdebüt des dänischen Filmemachers Jonas Alexander Arnby, der sich bisher als Werbefilmregisseur einen Namen gemacht hat. Sein leicht unterkühltes, in fahle Farben gesetztes Horrormärchen nimmt dagegen auf den ersten Blick eher ästhetische Anleihen bei Autorenkino mit sozialrealistischen Zügen:

Die Lebens- und Arbeitswelt von Marie zwischen dem Häuschen ihrer Familie, das selbst ein bisschen verfroren wirkt, und dem Fischverarbeitungsbetrieb, in dem Marie als Hilfskraft anfängt, könnte auch Schauplatz eines zeitgenössischen Alltagsdramas sein. Der Entwurf der wortkargen, aber physisch sehr präsenten Hauptfigur könnte auf eine ganz diesseitige Emanzipationsgeschichte zulaufen. Aber die Entwicklung, die Marie nimmt, ist mit einer körperlichen Verwandlung verbunden, die in Richtung Fantasy weist.

Haarige Angelegenheit

Über ihrer Brust beginnt sich ein haariges Mal auszubreiten, die heimlich entwendete Krankenakte der Mutter enthält weitere beunruhigende Informationen. Marie erkennt, dass ihr das gleiche Schicksal droht, und macht zunächst einmal das Beste draus: "Ich verwandle mich in ein Monster und muss vorher Sex haben."

Der Film konzentriert sich buchstäblich auf die Oberfläche dieser Transformation: Statt in riesigen Schlabberpullis und weiten Hosen zu verschwinden, wird Maries drahtiger Körper bald von engen Kleidungsstücken umschmiegt. Ihre weiße Haut spannt überm Rücken, zarter hellblonder Flaum beginnt zwischen den Schulterblättern zu wachsen - all das wird sparsam, aber effektiv eingesetzt. Genauso wie das Blut, das in dem wässrigen Ambiente - Maries Refugium sind Badezimmer und Wannenbad - dann umso heller leuchtet.

Erst im letzten Drittel lässt Arnby dann doch das Generische seiner Werwolfmädchengeschichte in den Vordergrund treten: Wenn die Gemeinschaft der Normalsterblichen sich wie in vielen guten Horrorfilmen als rechter Mob erweist und ihrer Aggression, die zuerst noch wie Initiationsfolklore wirkt, freien Lauf lässt.

Leider nimmt Arnby für sein stilechtes Finale dramaturgische Kurzschlüsse ebenso in Kauf wie den Verschleiß der Atmosphäre. Sonia Suhl macht mit ihrer Darstellung einer unergründlichen, zähen Einzelkämpferin aber trotzdem mächtig Eindruck. (Isabella Reicher, DER STANDARD, 20.8.2014)