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Ingeborg Hochmair-Desoyer schrieb bereits als 24-jährige Dissertantin Medizintechnikgeschichte.

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Die nächste Auszeichnung für ihr bisheriges Lebenswerk wird Ingeborg Hochmair-Desoyer am 19. September erhalten: An diesem Tag verleiht die Österreichische Forschungsgemeinschaft der Forscherin und Unternehmerin, die in beiden Bereichen für weltweit anerkannte Innovationen sorgte, den nur alle zwei Jahre vergebenen Ludwig-Wittgenstein-Preis (nicht zu verwechseln mit dem Wittgenstein-Preis des Österreichischen Forschungsfonds FWF). Dazu gibt es an der Technischen Universität Wien ein Symposion zu Ehren der Preisträgerin.

Die Veranstaltung wird sich einer der größten Erfolgsgeschichten der modernen Medizin widmen: sogenannten Cochlea-Implantaten (CI), die seit ihrer Einführung vor rund 25 Jahren über 300.000 bis dahin gehörlosen Menschen – vor allem Kindern – die (Wieder-)Herstellung ihres Hörsinns ermöglichten. Das künstliche Innenohr, an dessen Entwicklung Ingeborg Hochmair-Desoyer maßgeblichen Anteil hat, ist damit die einzige Neuroprothese, die es bis jetzt zur Serienreife gebracht hat.

Erster Coup gelingt mit 24 Jahren

Dass sie einmal im Bereich der biomedizinischen Ingenieurwissenschaften tätig sein wollte, wusste die Tochter des TU-Professors Kurt Desoyer nach eigenen Angaben bereits mit 13 Jahren. Davor züchtete sie Raupen und Schmetterlinge, legte Bakterienkulturen auf Nährsubstraten an, baute Radios und las viele Bücher.

Um als Technikerin zur menschlichen Gesundheit beizutragen, studierte sie zunächst Medizin und Elektrotechnik, ehe sie sich ganz auf Letztere konzentrierte und ihr Studium dank einer Ausnahmegenehmigung bereits mit 22 Jahren abschloss. Nach einem Aufenthalt an der Stanford University und gemeinsam mit ihrem späteren Mann Erwin Hochmair, damals Assistent an der TU, fand sie dann ihr Lebensthema: Hörimplantate.

Seit mehr als 38 Jahren arbeitet sie daran – ohne dass ihr nur eine Sekunde langweilig gewesen sei, wie sie kürzlich im Fachblatt Nature Medicine schrieb. Ihr erster Coup gelingt ihr bereits mit 24 Jahren: ein Gerät, das die Cochlea (also die Hörschnecke) erstmals an acht Stellen stimulierte und das 1977 implantiert wurde.

Ursprünglich war daran gedacht, die Hörimplantate gemeinsam mit der US-Firma 3M weiterzuentwickeln und zu vermarkten, was sich aber zerschlug. Das wiederum sollte sich als Glücksfall herausstellen: Gemeinsam mit ihrem Mann, inzwischen Professor an der Universität Innsbruck, gründete sie 1990 in Tirol die Firma MED-EL.

Doppelkarriere als Unternehmerin und Wissenschafterin

Ingeborg Hochmair-Desoyer ist heute geschäftsführende Gesellschafterin des Unternehmens, das als die technologisch führende Firma auf dem Gebiet implantierbarer Hörlösungen gilt. MED-EL operiert in rund hundert Ländern, hat über 1500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die in 29 Niederlassungen rund um den Globus tätig sind. Der Umsatz des hochinnovativen Unternehmens liegt längst im dreistelligen Millionen-Euro-Bereich.

Hochmair-Desoyer ist als Forschungschefin auch dafür verantwortlich, dass es bei den Innenohrprothesen ständig technische Verbesserungen gibt. Seit Firmengründung gelangen MED-EL so über ein Dutzend innovative "Weltpremieren", und für das erste aktive Knochenleitungsimplantat "Bonebridge", das 2012 auf den Markt kam, erhielt die Firma erst 2014 den österreichischen Staatspreis Innovation.

Wie der heute 61-Jährigen diese Doppelkarriere als Unternehmerin und Wissenschafterin gelang, ist schwer nachvollziehbar, zumal sie "nebenbei" auch noch Mutter von vier Kindern ist und ihr Mann bis 2009 Universitätsprofessor an der Universität Innsbruck war. Sehr wohl nachvollziehbar ist die ständig wachsende Zahl an Auszeichnungen, die es in den letzten Jahren für die hochinnovative Forscher-Unternehmerin gab, die jede Menge weitere Pläne und Ziele für die Zukunft der Hörimplantate hat.

Den bisher wichtigsten Preis erhielt Ingeborg Hochmair-Desoyer im Vorjahr: Da wurde ihr in New York gemeinsam mit zwei Kollegen der renommierte Lasker-De Bakey Clinical Medical Research Award verliehen. Das Besondere an der Ehrung: Nicht wenige Rezipienten dieser Auszeichnung haben später einmal den Nobelpreis erhalten. (Klaus Taschwer, DER STANDARD, 20.8.2014)