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Noch-Gesundheitsminister Stöger legt sich nicht auf sein bisheriges Ressort fest: "Politik ist meine Leidenschaft."

Foto: Apa /Schlager

STANDARD: Wie geht es Ihnen?

Stöger: Sehr gut, Alpbach ist immer ein guter Zeitpunkt, um innezuhalten und sich anzusehen, was hat man im letzten Jahr im Gesundheitsbereich zustande gebracht, und ich bin ehrlich gesagt sehr zufrieden, weil wir einiges zustande gebracht haben.

STANDARD: Dass über Ihren Kopf hinweg entschieden wurde, Sie ins Verkehrsministerium zu verschieben, stört Ihr Wohlbefinden nicht?

Stöger: Die Sozialdemokratie hat für solche Fragen ein Gremium, das darüber entscheidet. Es ist das Wesen der Demokratie, dass man dieses Gremium arbeiten lässt und sich bis dahin in Geduld übt. Um diese Geduld muss ich auch Sie bitten. Ich werde zu diesem Thema nichts sagen.

STANDARD: Infrastrukturminister zu sein ist keine Schande. Warum sagen Sie nicht einfach: Wenn man mich fragt, mache ich es?

Stöger: Gesundheitsminister zu sein ist auch keine Schande. Ich habe in den letzten fünfeinhalb Jahren einiges gemacht, und ich gebe hier in Alpbach einen Ausblick, wie ich mir Gesundheitspolitik 2025 vorstelle.

STANDARD: Welche Herausforderungen erwarten den Gesundheitsminister der Zukunft?

Stöger: Gesundheitspolitik ist immer schwierig, weil sie immer jeden trifft und alle Ängste und Sorgen der Menschen umfasst. Gesundheitspolitik ist Sozialpolitik und schafft auch Arbeitsplätze. Es geht auch darum, dass alle Menschen Zugang zum Gesundheitssystem haben. Das unterscheidet Österreich von allen anderen Ländern der Welt - dass dies bei uns der Fall ist. Das ist eine große Aufgabe, nicht nur für den Gesundheitsminister. Dieses solidarische Prinzip ist das Entscheidende. Wir haben die Kassen saniert und den Patienten in den Mittelpunkt gestellt - und Leistungen ausgeweitet: die Zahnspange, Reduktion des Selbstbehalts von Kindern, Erweiterung des Impfpasses, Qualitätssicherung bei der Mammografie. Ich halte das für einen großen Schritt zur Stärkung der Kinder und Frauen.

STANDARD: Bleibt nach der Gesundheitsreform noch etwas zu tun?

Stöger: Natürlich. Früher stand die Logik der Institution im Vordergrund, die hat das System gesteuert. Jetzt steht der Patient mit seinen Bedürfnissen im Mittelpunkt. Um das umsetzen zu können, müssen wir transparente Vorgänge entwickeln. Auch das haben wir eingeleitet, etwa bei der elektronischen Gesundheitsakte. Diese Akte gehört nicht mehr dem Arzt, sondern dem Patienten. Der Patient entscheidet, welche Informationen weitergegeben werden. Der zweite große Paradigmenwechsel war, dass wir die Systemgrenzen zwischen Krankenhaus und dem niedergelassenen Bereich aufgeweicht haben.

STANDARD: Sind diese Paradigmenwechsel unumkehrbar?

Stöger: Unumkehrbar ist nichts. Aber ich glaube, dass alle das wollen: mit den Ressourcen effizienter umgehen. Das ist der Auftrag der Bevölkerung, den ich verspüre. Dafür müssen wir am Patienten orientiert arbeiten - das ist auf Dauer das Kostengünstigste.

STANDARD: Wie definieren Sie Ihr Verhältnis zur Ärztekammer?

Stöger: Ich habe eine gute Gesprächsbasis mit Ärzten, ich bin auch bereit zuzuhören und die Schwierigkeiten und Probleme gemeinsam zu beheben. Mit der Ärztekammer gibt es mitunter fachliche Diskussionen.

STANDARD: Hätten Sie es leichter gehabt, wenn Sie Arzt wären?

Stöger: Ich glaube, das ist nicht entscheidend. Wichtig ist, sich einzulassen auf alle Beteiligten am Gesundheitssystem.

STANDARD: Der Arztberuf ist also keine Qualifikation für den Gesundheitsminister?

Stöger: Es schadet nicht, aber es ist auch nicht das Entscheidende.

STANDARD: Warum wollen Sie Krankenkassen nicht zusammenlegen? Wer versteht denn, dass es in einem kleinen Land wie Österreich so viele verschiedene Kassen gibt?

Stöger: Weil es wenig bringt. Und ich bin auch ein Verfechter der regionalen Unterschiede. Ich würde sehr davor warnen, die Gesundheitsversorgung von Alpbach von Wien aus zu steuern. Das kann die Tiroler Kasse viel zielgerichteter.

STANDARD: Ist es auch eine regionale Frage, wo man in einem Spital abtreiben kann?

Stöger: Nein. Ich erwarte mir von jeder Landesregierung, dass es einen öffentlichen Zugang zu einer Gesundheitsleistung gibt. Wie das organisiert wird, ist mir relativ gleich, da bin ich pragmatisch. Aber es muss angeboten werden. Da sollen sich Männer nicht aufspielen und den Frauen etwas vorschreiben. Ich halte diese Bevormundung der Frauen nicht aus.

STANDARD: Wissen Sie, was Sie mit Sabine Oberhauser gemein haben?

Stöger: Sehr viel.

STANDARD: Ach ja? Erzählen Sie mehr.

Stöger: Sie war über fünf Jahre Gesundheitssprecherin, wir haben sehr viel und eng kooperiert. Sie hat einen guten Zugang zu Menschen, die es im Leben nicht so leicht haben. Sie ist eine Politikerin, die nie vergessen hat, wie es teilzeitbeschäftigten Frauen, Alleinerzieherinnen mit dünner Geldbörse geht. Das halte ich für eine immens wichtige Qualifikation in unserer Gesellschaft.

STANDARD: Und sie will auch rauchfreie Lokale. In Ihrem Sinne?

Stöger: Da hat ein Gesundheitsminister keine Alternative. Ich glaube auch, dass die Mehrheit der Bevölkerung dafür reif ist. Da brauchen die Wirte keine Angst haben, sie werden mehr Geschäft machen als vorher.

STANDARD: Die Gesundheitsbranche ruft Ihnen bereits hinterher: Sie seien unterschätzt worden, ein guter Verhandler, bemerkenswert uneitel. Können Sie damit leben?

Stöger: Das ist ein Kompliment. Totgesagte leben länger, heißt es bei uns im Mühlviertel. Wer glaubt, in einer Demokratie autoritär Dinge verordnen zu können, liegt falsch. Ich bin bereit, mich auf Veränderungsprozesse einzulassen, und ich lasse anderen ihren Raum. Das ist mir wichtig. Am Ende des Tages geht es nicht darum, wer hat die meisten Schlagzeilen gehabt, sondern was kam dabei heraus.

STANDARD: Ist Gesundheitspolitik Ihre Leidenschaft?

Stöger: Politik ist meine Leidenschaft. (Petra Stuiber, DER STANDARD, 20.8.2014)