Die Genossen reden bereits offen darüber, doch Doris Bures tut so, als wüsste sie nichts über den neuen Job. Dabei steht ihrer Kür zur Nationalratspräsidentin wenig im Weg.

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Wien - Alle meinen zu wissen, dass Doris Bures ab September Präsidentin des Nationalrats sein wird. Bures selber tut so, als wüsste sie nichts davon. In einer Pressekonferenz am Montag sprach sie lange über Forschung und Entwicklung und über den Plan, gemeinsam mit der TU Wien im Jänner eine Pilotfabrik zu eröffnen. Die Journalisten wollten allerdings etwas anderes wissen: Ob sie nicht vorhabe, Nationalratspräsidentin zu werden?

Bures schraubt sich: "Sie wissen, dass heute in einer Woche eine Gruppe von Menschen, die demokratisch dazu legitimiert sind, in den Gremien eine Entscheidung treffen wird. Ich bin der Auffassung, dass es einem Einzelnen nicht zusteht, solchen Entscheidungen vorzugreifen und die zu kommentieren. Und daher ersuche ich um Verständnis dafür, dass ich Sie ersuche, sich noch eine Woche zu gedulden, bis die Entscheidungen getroffen sind." Mehr, fügt Bures noch an, gebe es derzeit nicht dazu zu sagen.

Was die Nochministerin und auch die Parteizentrale nicht tun wollen, erledigen andere Genossen. Sozialdemokratische Granden bestätigen de facto die Existenz der Rochadepläne. Die Landesparteichefs seien bereits vergangene Woche von der Parteispitze unterrichtet worden, erzählt Vorarlbergs SP-Obmann Michael Ritsch. Auch Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser lässt den Standard wissen: Er sei von der personellen Umbildung am Freitag informiert worden.

Dass es bei weitem nicht allen namhaften Funktionären so gegangen war, ehe die Info am Freitagabend via "Kronen Zeitung" an die Öffentlichkeit gegangen war, sorgt für Unmut in den roten Reihen. Bau-Holz-Gewerkschaftschef Josef Muchitsch spricht nicht nur für sich allein, wenn er im Ö1-"Mittagsjournal" bekrittelt: "Es ist leider immer wieder das Gleiche, dass wir die Informationen aus Medien erfahren. Das ist nicht angenehm, als Politiker oder als Spieler in einem Team."

Faktum ist, dass Faymann vorerst wieder einmal nur einen winzigen Kreis in seine Pläne einbezog – und zwar Montag vor einer Woche, bald nach dem Begräbnis der bisherigen Nationalratspräsidentin Barbara Prammer. Der ewige Faymann-Vertraute Josef Ostermayer war eingeweiht, ebenso der rote Gewerkschafterchef Wolfgang Katzian. Auch Verkehrsministerin Doris Bures wurde über ihr Avancement an die Spitze des Nationalrats in Kenntnis gesetzt, ebenfalls Nochgesundheitsminister Alois Stöger, der Bures nun als Infrastrukturminister nachfolgen soll.

Ausgeplaudert ans Leibblatt

Ob Faymann seine Leibzeitung bewusst vorab informierte oder die Nachricht – wie etwa Muchitsch mutmaßt – ungeplanterweise ausgeplaudert wurde, darüber wird SP-intern heftig spekuliert. Für die Version, dass das Info-Leck "passiert" ist, spricht, dass die "Krone" in der Folge in Kommentaren heftig gegen die Personalentscheidung zu Felde zog – und an Stöger kein gutes Haar ließ. Das könnte freilich auch bedeuten, dass Faymann gar nicht die Absicht hat, auf Dauer an Stöger festzuhalten: Wenn sich dieser Sturm bis zum Parteitag nicht legt, könnte er auch der mächtigen oberösterreichischen Landesorganisation klarmachen, dass er persönlich zwar alles versucht habe, aber ihr Landsmann Stöger einfach nicht zu halten sei.

Von den Stilfragen abgesehen, zeichnen sich in der SPÖ keine breiten Einwände gegen die Personalentscheidungen ab. Die Landesvertreter zeigen sich weitgehend einverstanden, reserviert klingt nur der Kärntner Kaiser: Er hoffe, dass er und seine Kollegen im Parteipräsidium, das die Personalien kommenden Montag absegnen soll, "eine nähere Begründung für die kolportierten Rochaden erhalten". Kaiser vermutet, dass Bures, die er als "ausgezeichnete" Ministerin lobt, lediglich zu einem Zwischensprung ansetze: Offenbar werde sie als Kandidatin für die nächste Bundespräsidentenwahl in Stellung gebracht. Da könnten jedoch andere Anwärter etwas dagegen haben: Rudolf Hundstorfer, Sozialminister und mächtiger Gewerkschafter, gilt seit längerem als Interessent.

Absolute Loyalität gefragt

Persona non grata ist Bures auch nicht für den roten Nationalratsklub, der auf dem Papier das letzte Wort hat. Dürften sich die Mandatare ganz ohne Vorgabe von oben allerdings selbst einen neuen Präsidenten aussuchen, würde es wohl Exklubchef Josef Cap werden, der intern mit seinen Ambitionen nicht hinter dem Berg gehalten hat. Doch Cap war für Faymann nie eine Option. Der SP-Chef wollte eine Frau und dabei eine garantiert loyale Vertraute. Die Jugendfreundin Bures ist für ihn trotz zwischenzeitlicher Zerwürfnisse fast schon mehr als das: eine Art Seelenverwandte, die sich trotz fehlender akademischer Weihen und biografischer Starthilfen hochgearbeitet hat – und dabei auch an sich selbst arbeitet.

Oberhauser und Stöger ernten gar Vorschusslorbeeren von nicht selbstverständlicher Seite: Bei den am Montag gestarteten Gesundheitsgesprächen in Alpbach ist trotz ÖVP-Überhangs bei Referenten und Zuhörern einiges Positives zu vernehmen. Oberhauser sei "eine kluge und bodenständige Frau, und sie versteht etwas von der Materie", sagt etwa ihre Vorvorgängerin Maria Rauch-Kallat. Diese Einschätzung teilen viele: Da sie die Gesundheitsreform und Elga mitverhandelt hat, stehe Oberhauser für Kontinuität, sie pflege ein intaktes Verhältnis zur Ärztekammer, ohne sich vereinnahmen zu lassen. Auch Stöger heimst bei Alpbach-Teilnehmern parteiübergreifendes (spätes) Lob ein: Stets unterschätzt, habe er im Gesundheitssystem mehr bewegt als viele seiner Vorgänger. (jo, stui, DER STANDARD, 19.8.2014)