Sofia - Kaum zwei Wochen im Amt, macht Bulgariens neue Übergangsregierung vor allem mit Entlassungen von sich reden: fünf Distriktgouverneure gefeuert, den Direktor der nationalen Zollbehörde, zwei Leiter von wichtigen EU-Programmen, Vorstände von staatlichen Energieunternehmen. Die Interimsregierung verschwende ihre Stärken auf zu viele verschiedene Dinge, anstatt sich auf das eine wichtige Thema zu konzentrieren – die Organisation der Neuwahlen, kritisierte Bulgariens Expräsident Georgi Parwanow am Montag im Frühstücksfernsehen.
Doch bei der Vorbereitung eben dieser vorgezogenen Parlamentswahlen gab es bereits eine politische Panne. Eine eigens bestellte „Wahlministerin“ reichte 48 Stunden nach ihrer Ernennung den Rücktritt ein. Krasimira Medarowa wurde zu große Nähe zur früheren konservativen Regierungspartei Gerb (Bürger für eine europäische Entwicklung Bulgariens) von Expremier Boiko Borissow vorgeworfen.
Borrisow hofft auf Comeback
Medarowa leitete die Wahlkommissionsbehörde in der zweiten Hälfte von Borissows Regierungszeit, von 2011 bis 2013, bis sie ihrerseits von der folgenden, sozialistisch geführten Koalition entlassen wurde. Borissow, der auf ein Comeback bei den Wahlen am 5. Oktober hofft, setze den amtierenden Staatschef unter Druck, so heißt es nun in Sofia. Rossen Plewneliew, ein früherer populärer Infrastrukturminister in Borissows Kabinett, hatte Anfang August die Übergangsregierung gebildet; sie folgt nur seiner Weisung, das Parlament ist aufgelöst.
Borissow versuche die Weichen für seine künftige Regierung zu stellen, merken Kommentatoren an. Der Wechsel an der Spitze der bulgarischen Zollverwaltung gilt als ein Indiz dafür. Wanjo Tanow, der nun zurückgekehrte Zollchef, war vor Jahren bei einem kompromittierenden Telefongespräch mit Borissow abgehört worden.
Geschäfte im Hinterzimmer
„Gratulation an die Protestierenden, die ein ganzes Jahr mit Demonstrationen im Zentrum von Sofia verbracht haben, um die Hinterzimmergeschäfte im Land loszuwerden“, merkte das investigative Nachrichtenportal Bivol ironisch an.
Einer Umfrage zufolge kommt Borissows Gerb derzeit auf 23 Prozent der Stimmen; die im Juli nach nur knapp einem Jahr Regierungszeit gescheiterten Sozialisten mit 16 Prozent. Den Bulgaren drohte Borissow bereits: Verschafften sie ihm nicht ausreichend Stimmen für eine Alleinregierung, würden sie „diesen Winter hungern“. Borissow will aber auch Wähler von der türkischen Minderheit gewinnen. „Mindestens zehn Vizeministerposten gehen an Muslime“, versprach er und brach damit ein Tabu in Bulgarien. In der Politik wird offiziell nicht nach Religion und Minderheit unterschieden. (Markus Bernath, DER STANDARD, 19.8.2014)