Titelbild der deutschsprachigen Ausgabe des Hugo- und Nebula-Gewinners "Ancillary Justice", die im Februar 2015 erscheinen wird.

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Ausgerechnet in London musste die in der Kurzfilmkategorie übermächtige BBC eine Schlappe hinnehmen: Statt "Doctor Who" gewann "Game of Thrones".

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Gleichstand gab es beim Sidewise Award für den besten Alternativweltroman.

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London - Zum ersten Mal seit 2005 hat die World Science Fiction Convention, auf der die alljährlichen Hugo Awards vergeben werden, wieder diesseits des Atlantiks stattgefunden. Und zum dritten Mal in der Geschichte des seit 1953 vergebenen Preises, der nach dem Herausgeber Hugo Gernsback benannt und die bekannteste Auszeichnung für Phantastik-Literatur ist, war London Schauplatz der Gala.

Bester Roman in SF ...

Gewählt werden die Preisträger von all denen, die sich für die Worldcon angemeldet haben. Der Hugo ist damit eher ein Leserpreis als die von den Science Fiction and Fantasy Writers of America vergebenen Nebula Awards. Dennoch gab es in den vergangenen Jahren häufig Doppelungen - so auch heuer in der prestigeträchtigen Kategorie bester Roman, wo die US-Autorin Ann Leckie mit ihrer Space-Opera "Ancillary Justice" nach dem Nebula (hier die Nachlese) nun auch den Hugo gewann. Auf Deutsch wird der Roman im Februar 2015 als "Die Maschinen" bei Heyne erscheinen.

Die Konkurrenz war gleichmäßig zwischen SF und Fantasy verteilt: Charles Stross war mit "Neptune's Brood" nominiert, der einige tausend Jahre später angesiedelten Fortsetzung seiner Roboter-Space-Opera "Die Kinder des Saturn". Hier ging der britische Autor zwar leer aus, dafür gewann er in der Kategorie Novelle mit "Equoid", das zu seiner Reihe "The Laundry Files" (deutsch: "Die mysteriösen Fälle des Bob Howard") gehört, in der sich Science Fiction und Urban Fantasy verbinden.

Mira Grant, ein Alias der kalifornischen Autorin Seanan McGuire, ist im deutschsprachigen Raum mit ihrer Zombie-Trilogie "Newsflesh" bekannt geworden. Mit dem Hugo-nominierten "Parasite" hat sie eine neue Reihe gestartet, in der winzige Symbionten die Antwort auf alle medizinischen Probleme zu sein scheinen - bis sie eigene Pläne für die Menschen und deren Körper entwickeln.

... und Fantasy

Weiters nominiert war der US-Amerikaner Larry Correia mit "Warbound", dem dritten Band seiner Urban-Fantasy-Reihe "The Grimnoir Chronicles". Auf Deutsch ist von Correia bislang nur der vor kurzem erschienene Auftakt seiner "Monster Hunters"-Reihe erhältlich ("Die Monster, die ich rief").

Und dann hatte noch ein echtes Mammutwerk zur Wahl gestanden: "Das Rad der Zeit", jener wahrhaft epische Fantasy-Zyklus, den US-Autor Robert Jordan 1990 begonnen und über zunächst elf Bände weitergesponnen hatte. Durch Jordans Tod im Jahr 2007 blieb die Reihe zunächst unvollständig, bis sich der (sehr produktive) Jungautor Brandon Sanderson ihrer annahm. Aufbauend auf Jordans umfangreichen Aufzeichnungen und in Zusammenarbeit mit dessen Witwe schloss Sanderson den Zyklus mit den Bänden 12 bis 14 ab. Alle sind bereits auf Deutsch bei Piper erschienen.

Das Beste aus Film und Fernsehen

Wie schon im Frühling bei den Nebula Awards wurde nun auch bei den Hugos Alfonso Cuaróns Astronautendrama "Gravity" als bester Film ausgezeichnet. Insgesamt war die Kandidatenriege in dieser Kategorie nicht sonderlich originell: Mit im Bewerb standen "Iron Man 3", der Disney-Animationsfilm "Frozen", "The Hunger Games: Catching Fire" und "Pacific Rim"; Blockbuster allesamt.

Fast so etwas wie ein kleines Wunder ereignete sich dafür in der Kurzfilm-Kategorie, in der das "Doctor Who"-Franchise einmal mehr übermächtig vertreten war: Mit zwei Folgen, einer Persiflage und dem Jubiläumsspecial "An Adventure in Space and Time" waren nicht weniger als vier von sechs Kandidaten auf die britische Endlosserie bezogen (vielleicht sollte der Nominierungsmodus in dieser Kategorie einmal überdacht werden). Den Rest der TV- und Webvideo-Welt durften "Orphan Black" und "Game of Thrones" vertreten - und die populäre HBO-Fantasy-Serie schaffte es tatsächlich, mit der Folge “The Rains of Castamere” die Dominanz der "Doctor Who"-Fans zu brechen.

In aller Kürze

Sämtliche Siegererzählungen in den Kurzformat-Kategorien - inklusive Charles Stross' "Equoid" - können auf der Website Tor.com nachgelesen werden: Als beste Kurzgeschichte wurde “The Water That Falls on You from Nowhere” von John Chu ausgezeichnet, eine Coming-Out-Geschichte zwischen Familienkonflikt und Magic Realism. Im nächstlängeren Format, der Novellette, gewann Mary Robinette Kowal mit “The Lady Astronaut of Mars”. Im Mittelpunkt der Erzählung steht eine Veteranin der Marskolonisierung, die den Weltraum vermisst.

Darüberhinaus gab es auf der zweistündigen Gala, die von den SF-Autoren Geoff Ryman und Justina Robson sehr sympathisch moderiert wurde, den üblichen Preisregen vom besten Fanzine bis zum besten Comic. Insgesamt waren es 16 Kategorien (eine vollständige Liste der Preisträger finden Sie hier).

Nominell kein Hugo, wird auf der Worldcon auch immer der John W. Campbell Award für den besten Jungautor bzw. die beste Jungautorin vergeben. Diese Ehrung ging heuer an Sofia Samatar, die mit ihrem Fantasyroman "A Stranger in Olondria" bereits für den Nebula nominiert gewesen war.

Weltenwechseln

Last but not least nützt auch die Jury des Sidewise Award den Rummel der Worldcon, um die besten Alternativweltgeschichten auszuzeichnen. Heuer kam es zu einem Punktegleichstand zwischen zwei Romanen, die die britische respektive amerikanische Geschichte Mitte des 20. Jahrhunderts in jeweils einem Detail ändern: In D.J. Taylors "The Windsor Faction" stirbt Wallis Simpson, die skandalumwitterte Geliebte von Edward VIII., einen vorzeitigen Tod. Der König muss deshalb nicht abdanken - und England tut sich mit der Abgrenzung gegenüber Nazideutschland gleich bedeutend schwerer als in unserer Zeitlinie.

Gleichauf mit diesem nicht ganz unbekannten Szenario (siehe etwa die "Farthing"-Reihe von Jo Walton) wurde Bryce Zabels "What If Kennedy Survived Dallas?" ausgezeichnet; dem jüngsten einer ganzen Reihe von Büchern mit ähnlicher Grundidee, die anlässlich des 50. Todestages von John F. Kennedy auf den Markt gekommen sind.

Heute geht die fünftägige Veranstaltung "LonCon 3" zu Ende. Im nächsten Jahr wird die Worldcon wieder in die USA zurückkehren und in Spokane, Washington stattfinden. (Josefson, derStandard.at, 17. 8. 2014)