Doris Bures also. Werner Faymann scheint sich entschieden zu haben, wen er als Nachfolgerin von Barbara Prammer ins Parlament schickt. Eine seiner engsten Vertrauten, eine brave Parteisoldatin. Ein Misstrauensvorschuss ist angebracht.

Die Befassung der Parteigremien - Präsidium und Vorstand tagen erst am 25. August - ist nur noch Folklore, Diskussionen sind nicht erwünscht. Der Kanzler trifft seine Entscheidungen im kleinsten Kreis, informiert wird offenbar nur die Kronen Zeitung.

Doris Bures sorgte als Bundesgeschäftsführerin der SPÖ für geregelte Abläufe und eine straffe Organisation. Als Bundesministerin für Verkehr und Technologie blieb sie unauffällig. Ihre größte Tugend: Loyalität. Das ist es, was Faymann schätzt. Und genau das ist es, was sich das Parlament nicht wünschen kann: eine Nationalratspräsidentin, die dem Kanzler und Chef der größten Partei hörig ist.

Faymann weiß, was er tut: Er stärkt seine Achse ins Parlament. Mit Andreas Schieder hat er dort bereits einen Klubobmann sitzen, auf den er sich ganz verlassen kann. Mit raren Ausnahmen (die junge, rebellische Abgeordnete Daniela Holzinger ist aus Sicht der Parteispitze ein Betriebsunfall) sind die SPÖ-Abgeordneten brave Abnicker, die sich nicht damit aufhalten, Dinge zu hinterfragen oder mit eigenen Ideen zu glänzen. Sie setzen um, was ihnen die Regierung vorlegt. Das gilt im Übrigen auch für die Abgeordneten des Koalitionspartners. Ihre Aufgabe ist das Funktionieren.

Doris Bures wird eine Schlüsselposition einnehmen. Das Nationalratspräsidium wird an Bedeutung und Einfluss gewinnen. Nicht durch Bures als Erste Präsidentin, sondern durch die Reform des Untersuchungsausschusses, dessen Einsetzung ein Minderheitsrecht wird. Den Vorsitz in diesen Ausschüssen werden künftig die Präsidenten des Nationalrats innehaben. Sie werden eine maßgebliche Rolle dabei spielen, wie die Ausschüsse ablaufen, welche Themen behandelt, welche Fragen gestellt, welche Zeugen geladen werden können.

Das ist sehr bedeutsam, denn immerhin stehen heikle Materien zur Untersuchung an: der Hypo-Komplex etwa, inklusive der umstrittenen Verstaatlichung der Bank. Und Faymann weiß, worum es geht: Er war selbst Untersuchungsgegenstand eines Ausschusses, als die Inseratengeschäfte aus seiner Zeit als Infrastrukturminister geprüft werden hätten sollen. Seine Vorladung vor den Ausschuss konnte die SP-Parlamentsfraktion mithilfe der ÖVP verhindern.

Um die Stärkung der Minderheitsrechte wieder auszugleichen, braucht es aus Sicht des Kanzlers eine verlässliche Präsidentin, die sich im Zweifelsfall der Regierung verpflichtet sieht - und nicht einem unabhängigen, lebendigen, möglicherweise auch unberechenbaren Parlamentarismus.

Diese Person ist Doris Bures.

Ihre Nominierung bedeutet keine Stärkung des Parlamentarismus, sondern dessen Disziplinierung. Bures stellt Faymanns Durchgriff sicher. Aus dessen Sicht ist das eine schlaue Besetzung. Dem Parlamentarismus wird das mit Sicherheit nicht mehr Kraft und Kreativität verleihen. Anstatt dem "Hohen Haus" ein gewisses Ausmaß an Emanzipation zuzugestehen, wofür zuletzt auch Barbara Prammer stand, und dem demokratiepolitisch wichtigen Diskurs breiteren Raum zu geben, steht diese Personalie für Enge und den Durchgriff der Herrschaftsstruktur auf das Abgeordnetenhaus. (Michael Völker, DER STANDARD, 18.8.2014)