Bild nicht mehr verfügbar.

Der ukrainische Außenminister bittet die EU und NATO um Militärhilfe im Konflikt mit den Separatisten, unterdessen erhält der russische Hilfskonvoi für die Ostukraine grünes Licht.

Foto: apa/epa/Yuri Kochetkov

Bild nicht mehr verfügbar.

Hochrangiges Außenministertreffen am Sonntag in Berlin (von links nach rechts): Laurent Fabius (Frankreich), Pavlo Klimkin (Ukraine), Frank-Walter Steinmeier (Deutschland), und Sergej Lawrow (Russland).

Foto: EPA/MAURIZIO GAMBARINI

Kamensk-Schachtinski - Nach tagelangen Verhandlungen hat sich die ukrainische Regierung im Grundsatz bereiterklärt, den umstrittenen russischen Hilfskonvoi ins Land zu lassen. Am Sonntag machten sich die ersten 16 Lkw im russischen Kamensk-Schachtinski, wo der Konvoi festgesessen hatte, zur nahe gelegenen ukrainischen Grenze auf. Die Lkw fuhren in ein russisches Bus-Depot am Grenzübergang.

Aus Kreisen des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz verlautete in der Nacht, Russland und die Ukraine hätten die meisten offenen Streitfragen zum Konvoi ausräumen können. Es müsse aber noch geklärt werde, wie für dessen Sicherheit gesorgt werden könne, sobald er unter Aufsicht des Roten Kreuzes die umkämpften Gebiete in der Ostukraine durchquert. Die offizielle Inspektion des Konvois durch das Rote Kreuz hat jedoch noch nicht begonnen, sagten IKRK-Sprecher Pascal Cuttat am Sonntag.

Furcht vor Waffenschmuggel

Kiew befürchtete bisher, dass Russland in dem Konvoi Waffen für die Regierungsgegner in der Ostukraine schmuggeln könnte und bestand deshalb auf einer Inspektion. Die ukrainischen Truppen kontrollieren mittlerweile das Gebiet nahe der Großstadt Luhansk, durch das der Konvoi fahren soll.

Der Regierungschef der selbsternannten Volksrepublik Donezk, Alexander Sachartschenko, warf der ukrainischen Führung vor, die Hilfe absichtlich hinauszuzögern. Die humanitäre Lage in Donezk sei schlimm, die Hilfsgüter aus Russland würden dort dringend gebraucht. Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko sagte in einem Telefonat mit US-Vize-Präsident Joe Biden, die Separatisten müssten eine sichere Durchfahrt des Konvois gewährleisten.

Konvoi mit Raketenwerfern aus Russland

Unterdessen ist ein Militärkonvoi mit Raketenwerfern nach ukrainischen Angaben von Russland aus in die Ukraine eingedrungen. Eine Militärkolonne mit drei Grad-Raketenwerfern sei von russischem Territorium aus in das ukrainische Dorf Diakowa vorgerückt und weiter Richtung Nyschni Nagoltschik in der Region Luhansk gefahren, erklärte der ukrainische Militärsprecher Andrij Lysenko am Sonntag.

Zudem habe es binnen 24 Stunden zehn Verletzungen des ukrainischen Luftraums durch russische Drohnen gegeben. Die Führung in Kiew wirft Moskau vor, prorussische Rebellen in der Ostukraine mit Kämpfern und Waffen zu unterstützen. Moskau weist den Vorwurf zurück. Zuvor hatten die Separatisten jedoch bestätigt, militärische Unterstützung aus Russland zu erhalten. 30 Panzer sowie 1.200 auf russischem Gebiet ausgebildete Kämpfer seien zur Verstärkung gekommen, verkündete Separatisten-Anführer Sachartschenko am Freitag in einem Video. Moskau dementierte am Sonntag erneut: "Keine Ausrüstung wird dorthin geschickt", sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow dem Radiosender Goworit Moskwa.

Die Separatisten haben nach Armeeangaben ein ukrainisches Kampfflugzeug abgeschossen. Das Flugzeug vom Typ MiG-29 sei am Sonntag früh in der Region Luhansk abgeschossen worden, nachdem es erfolgreich gegen eine Gruppe von Rebellen vorgegangen sei, sagte der ukrainische Armeesprecher Leonid Matjuchin. Der Pilot habe sich mit dem Schleudersitz retten können.

Außenministertreffen in Berlin

Unterdessen gehen die diplomatischen Bemühungen weiter: In Berlin hat der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier am Sonntag die Außenminister Russlands, der Ukraine und Frankreichs zu Gesprächen über die Lage in der Ukraine empfangen. Steinmeier äußerte die Hoffnung, dass es gelingen werde, den von der Gewalt betroffenen Menschen in der Region dringend notwendige Hilfe zukommen zu lassen. Gleichzeitig hat er vor einem Krieg zwischen Russland und der Ukraine gewarnt. Wenn man nicht aufpasse, dann könne es "zu einer Konfrontation unmittelbar zwischen ukrainischen und russischen Streitkräften" kommen, sagte Steinmeier am Sonntagabend in Berlin kurz vor dem Treffen. "Das muss auf alle Fälle vermieden werden."

Für Verwirrung hatte zuvor das mutmaßliche Eindringen eines russischen Militärkonvois in die Ukraine gesorgt. Kiew zufolge waren russische Militärfahrzeuge in der Nacht auf Freitag in die Ukraine eingedrungen, woraufhin die ukrainische Armee die meisten Fahrzeuge zerstört habe. Die NATO bestätigte "einen russischen Einmarsch". Moskau dementierte den Vorfall. Washington erklärte, sich um Informationen zu bemühen, betonte aber zugleich, Moskau müsse seine "extrem gefährlichen und provokativen" Versuche zur Destabilisierung der Ukraine unterlassen.

Der ukrainische Außenminister Pawel Klimkin bat EU und NATO um Militärhilfe im Konflikt mit den Separatisten. "Wenn solche Hilfe kommt, dann wäre es für unsere Truppen leichter, vor Ort zu agieren", sagte er dem Deutschlandfunk. Die Gefahr einer russischen Invasion sei allgegenwärtig.

Zivilisten unter den Opfern

Örtlichen Behördenangaben zufolge wurden im umkämpften Donezk am Samstag vier Zivilisten getötet. Journalisten berichteten von brennenden Häusern nahe der Stadt. Flüchtlinge aus Luhansk sagten der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch, die Stadt sei ohne Strom, Gas und Mobilfunkverbindung. Auch Trinkwasser sei schwer aufzutreiben.

Russland kann nach Einschätzung des deutschen Landwirtschaftsminister Christian Schmidt seinen Importstopp für europäische Agrargüter nicht über längere Zeit durchhalten. "Der Selbstversorgungsgrad der russischen Landwirtschaft beträgt 60 Prozent. Die Lücken, etwa in der Milchwirtschaft, kann Russland nicht alleine schließen", sagte der CSU-Politiker der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung". Deshalb solle die Europäische Union mit Konsequenzen aus dem Importstopp vorsichtig sein. Schmidt erwartet für den europäischen Agrarmarkt "eher geringe Auswirkungen" des Importstopps. Diesen hatte Russland als Reaktion auf die EU-Sanktionen im Zuge der Ukraine-Krise verfügt. (APA, 17.8.2014)