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Die USA greifen seit einer Woche IS-Stellungen aus der Luft an.

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Die kurdischen Peschmerga im Irak können im Kampf gegen die IS auf Waffenlieferungen aus mehreren europäischen Staaten zählen.

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Bagdad/Washington - Die USA haben erneut Luftangriffe auf Jihadisten im Irak geflogen. Rund um Mossul seien mindestens 20 IS-Kämpfer getötet worden, berichteten kurdische Peschmerga-Soldaten am Samstag. Die Luftangriffe hätten sich auf Ziele nahe dem Mossul-Staudamm nördlich der Stadt konzentriert.

Eine Kampfdrohne habe in der Nacht auf Samstag zudem zwei Fahrzeuge der Extremisten-Gruppe Islamischer Staat (IS) zerstört, teilte das US-Militär mit. Der Einsatz habe sich in der Nähe einer Ortschaft im Norden des Landes ereignet, in der die radikalen IS-Kämpfer laut kurdischen Angaben Zivilisten getötet haben.

Massaker an Jesiden

Zuvor hatten Vertreter der halbautonomen Kurdenregion berichtet, dass die Islamisten in einem Dorf etwa 80 Jesiden umgebracht hätten. Die Angehörigen der religiösen Minderheit hätten sich geweigert zum Islam überzutreten. Laut Augenzeugen sollen die Männer erschossen und die Frauen und Kinder verschleppt worden sein.

Es war zunächst unklar, ob der US-Luftangriff in Zusammenhang mit dem Massaker stand. US-Präsident Barack Obama hatte vor einer Woche Luftschläge autorisiert, um den Vormarsch der Islamisten zu stoppen und einen Völkermord an den Jesiden zu verhindern. Die sunnitischen Islamisten bezeichnen die Jesiden als Teufelsanbeter und bedrohen sie mit dem Tod. Die IS gilt als radikaler als das Terrornetzwerk Al-Kaida und hat in den eroberten Gebieten in Syrien und im Irak einen Gottesstaat ausgerufen. Immer wieder wird von Gräueltaten berichtet.

EU-Außenministertreffen in Brüssel

Mit dem Beschluss, im Kampf gegen die extremistische Miliz "Islamischer Staat" Waffenlieferungen an Iraks Kurden zu erlauben, endete am Freitag das Treffen der EU-Außenminister in Brüssel. Zudem soll die Finanzierung der Extremisten eingeschränkt werden. Dazu erhofft man sich auch eine bessere Zusammenarbeit in der Region. Etwa soll verhindert werden, dass die IS von Ölverkauf profitiert.

Schon vor Beginn der Zusammenkunft hatte Frankreich angekündigt, Waffen an die kurdischen Kämpfer zu liefern. Großbritannien erklärte an, Lieferungen ebenfalls "positiv gegenüberzustehen". Die tschechische Regierung wollte Munition und Waffen aus Armeebeständen liefern.

Deutschland will sich zunächst mit "nicht-tödlichem" Material an der Aktion beteiligen, sagte Außenminister Frank-Walter Steinmeier. Waffenlieferungen zu einem späteren Zeitpunkt sind nicht ausgeschlossen, man wolle an das Limit des "politisch und gesetzlich Möglichen" gehen.

Medizinisches Hilfsprogramm aus Österreich

Österreich wird sich hingegen nicht an Waffenlieferungen beteiligen. Dafür habe auch der kurdische Regionalpräsident Massud Barzani in einem Telefongespräch in der Nacht "vollstes Verständnis" gezeigt, sagte Außenminister Sebastian Kurz vor dem Treffen. Seine Region würde Hilfen aller Art dringend benötigen, für humanitäre Unterstützung aus Wien sei er ebenso dankbar wie für Waffen. Österreich beteiligt sich mit einer Million Euro für Flüchtlinge. Außen- und Verteidigungsministerium sowie Rotes Kreuz wollen zudem ein medizinisches Hilfsprogramm ins Leben rufen, das zunächst auf zwei bis drei Monate angelegt ist und über 100.000 Menschen unterstützen soll.

Vor dem Treffen hatte es geheißen, es solle auch über eine "breite politische Allianz" in der Region gesprochen werden. Man wolle Staaten wie den Iran oder Saudi-Arabien ins Boot holen, um den Eindruck zu verhindern, nur der Westen kämpfe gegen die IS.

Resolution des UN-Sicherheitsrates

Unterdessen hat der UN-Sicherheitsrat in New York Sanktionen gegen die Jihadisten im Irak und in Syrien sowie deren Unterstützer beschlossen. Die einstimmig verabschiedete Resolution sieht unter anderem Strafmaßnahmen gegen sechs Männer vor, die als Hintermänner und Financiers von IS, der radikalislamischen Al-Nusra-Front in Syrien und anderen militanten Gruppen gelten, darunter auch IS-Sprecher Mohammed al-Adnani. Zu den Strafen zählen Reiseverbote, Wirtschaftssanktionen und das Einfrieren von Auslandskonten.

Die 193 Mitgliedstaaten wurden aufgerufen, Finanzierungsströme zu kappen und die Rekrutierung ihrer Staatsangehörigen zu verhindern. Die Resolution verurteilt zudem "in schärfster Form" die "terroristischen Akte des Islamischen Staats und seiner brutalen extremistischen Ideologie". Ihm werden "ständige, schockierende, anhaltende und systematische" Verletzungen der Menschenrechte und des Völkerrechts" vorgeworfen.

Gemeinsamer Auftritt

In der monatelang schwelenden innenpolitischen Auseinandersetzung in Bagdad hatte es bereits vor der Sitzung des UN-Sicherheitsrates eine Einigung gegeben. Der umstrittene Premier Nuri al-Maliki hatte am Donnerstagabend angekündigt, seine Kandidatur für den Posten des Regierungschefs in der kommenden Legislaturperiode zurückziehen zu wollen. Er fordere alle Parteien auf, die neue Regierung seines designierten Nachfolgers Haidar al-Abadi zu unterstützen, mit dem er gemeinsam im Fernsehen auftrat.

Maliki war in den vergangenen Wochen immer mehr unter Druck geraten. Gegner im Irak und Kritiker aus dem Ausland warfen dem Schiitenpolitiker eine Mitschuld am Erstarken der IS vor: Dessen Parteienblock hatte zwar die Wahlen im April gewonnen, aber mit Maliki an der Spitze nicht genügend Unterstützung zur Bildung einer Regierung bekommen. Maliki wird zudem vorgeworfen, sein wenig kompromissbereites Handeln habe Unterstützer der Sunniten dazu bewegt, sich statt der irakischen Regierung der IS zuzuwenden. Auch Iraks Kurden fühlten sich von Malikis Regierung an den Rand gedrängt.

Sowohl die USA als auch der irakische Großayatollah Ali al-Sistani, für viele irakische Schiiten die höchste geistliche Autorität, hatten unmissverständlich die Bildung einer für alle Iraker offenen Regierung gefordert. Zuletzt hatte der Iran die Kandidatur von Malikis Rivalen al-Abadi unterstützt. Dieser ist ebenfalls Schiit aus Malikis Dawa-Partei, gilt aber als kompromissbereiter.

"Historische Verantwortung"

Die USA, die Uno und die EU begrüßten am Freitag die Einigung. Al-Sistani sagte in seiner Freitagspredigt, die Abgeordneten im Land müssten ihrer "historischen Verantwortung gerecht werden" und die konfessionellen Konfrontationen beenden.

Der Gouverneur der weitgehend von der IS besetzten sunnitischen Provinz Anbar, Ahmed al-Dulaimi, hatte vor Malikis Verlautbarung gesagt, die USA hätten ihm bei einem Treffen Unterstützung gegen die IS zugesagt, wenn er die neue Regierung unterstütze. Aus dem US-Außenamt gab es dazu zunächst keinen Kommentar. Sunnitische Stammesführer und Geistliche haben sich Freitag zur Beteiligung an der Regierung bereit erklärt, sollte diese entsprechende Bedingungen akzeptieren.

Rund um die Jesiden, die nach Eroberung der Stadt Sinjar im nahegelegenen Gebirge eingekesselt waren, hatten die USA schon am Vortag mitgeteilt, dass sich nur noch weit weniger Menschen dort befänden als zunächst angenommen. Von nur rund 1000 Menschen sprach am Freitag die Uno. Eine Militäraktion zu deren Befreiung erschien den USA daher nicht mehr nötig. Vertreter der Jesiden kritisierten die Angaben. Es seien noch lange nicht alle Geflüchteten in Sicherheit. (red, DER STANDARD, 16.8.2014)