Sowohl aus Washington als auch aus Teheran kommt Unterstützung für den designierten irakischen Premier Haidar al-Abadi, der so schnell wie möglich eine Regierung auf breiter Basis bilden soll. Nuri al-Maliki wurde fallen gelassen und überlegt rechtliche Schritte.
Bagdad/Wien - Was in den vergangenen Tagen offensichtlich geworden war, wurde am Dienstag auch offiziell bestätigt: Die USA und der Iran begrüßten die Designierung des Schiiten Haidar al-Abadi als irakischer Regierungschef - und unterstützen damit einträchtig die Demontage Nuri al-Malikis. Dieser ließ wissen, dass er nicht akzeptieren werde, dass er - wie er meint, verfassungswidrig - übergangen wurde. Offenbar will er die Gerichte bemühen.
Militär unterstützt Präsident Massum
Mit Spannung wurde in Bagdad erwartet, ob er auch andere Schritte - etwa die Mobilisierung seiner vielkritisierten persönlichen Spezialtruppen - vorantreiben würde, es blieb jedoch alles ruhig. Man sollte Maliki nicht unterschätzen: Er hat viele seiner Verwandten und Vertrauten auf wichtigen Posten, auch im Sicherheitsapparat und in der Justiz, untergebracht. Er war immerhin acht Jahre, seit 2006, Premierminister. Aber es heißt, dass sich die wichtigsten Kommandanten der Streitkräfte auf die Seite des Präsidenten, Fuad Massum, gestellt hätten: Sein verfassungsmäßig gewagter Schritt stößt offenbar auf Akzeptanz. Der Irak kann angesichts der Sicherheitssituation kein politisches Vakuum brauchen.
Es ist nicht ohne Ironie, dass Maliki nach jenen Wahlen, die er gewonnen hat, nun den Posten verliert, den er 2010, nach von ihm knapp verlorenen Wahlen, dem damaligen Wahlsieger abgerungen hatte. Iyad Allawi, ein säkularer Schiit und arabischer Nationalist, der damals die Stimmen sogar von religiösen Sunniten gewinnen konnte, wurde 2010 mit allerlei Zusagen dazu gebracht, die Regierung Maliki zu unterstützen. Maliki hat alle Versprechungen Allawi und den Sunniten gegenüber gebrochen: Die Rechnung wurde ihm jetzt präsentiert.
Konsenskandidat Abadi
Von Haidar al-Abadi weiß niemand, ob er ein starker Regierungschef sein wird, aber er ist auf alle Fälle ein Konsenskandidat. Er gehört(e) zu Malikis Dawa-Partei und seinem Sammelblock, das heißt, der "größte Block" wurde zumindest indirekt respektiert, wie es die Verfassung verlangt.
Das ist gewiss ein Anreiz für einige Maliki-Anhänger, die Seiten zu wechseln. Nominiert wurde er vom großen Block der anderen Schiitenparteien, er steht also auf breiter Basis. Und er ist offenbar akzeptabel für die Kurden - sonst hätte ihn Präsident Massum, ein Kurde, nicht akzeptiert - und für die Sunniten.
Dass damit die irakische Einheit gerettet und alles in Ordnung sei, wäre dennoch eine verfrühte Aussage. Unter den Regierungschefs vor Maliki lief der Irak keineswegs in ruhigeren Fahrwassern als unter ihm. Da war zuerst der (ernannte) provisorische Premier Allawi, seine Regierung galt als besonders korrupt. Und der nach den ersten Parlamentswahlen im Jänner 2005 auf Allawi folgende Ibrahim al-Jafari war für die Schiitisierung der Institutionen und den Milizen-Wildwuchs im schiitisch kontrollierten Sektor der Sicherheitskräfte verantwortlich.
Abadis Selbstsicherheit
Abadi gab als stellvertretender Parlamentspräsident der Huffington Post ein Interview, in dem er mit großer Selbstsicherheit den USA gegenüber auffiel: Sollten die USA dem Irak nicht gegen den Vormarsch des "Islamischen Staats" (IS) zu Hilfe eilen, so sei Bagdad gezwungen, den Iran um Unterstützung zu bitten.
Im Moment gibt es im Irak eine klare Interessenskonvergenz zwischen Washington und Teheran. Dazu gehört nicht nur der Wunsch, die IS zu schlagen, sondern auch jener, eine Unabhängigkeit der kurdischen Region im Nordirak zu verhindern oder hinauszuzögern. (Gudrun Harrer, DER STANDARD, 13.8.2014)