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Orpheus (Dominic Conway) betört die wilden Tiere im Wald - und dann Eurydike.

Foto: APA/FRANZ NEUMAYR

Salzburg - Unterschiedlicher können Orpheus-Interpretationen nicht sein: Elfriede Jelinek hat die Sage um die misslungene Rückholaktion von Gattin Eurydike aus dem Hades umgedreht und die Heldengeschichte in eine Macho-Decouvrierung verkehrt: Schatten (Eurydike sagt). Romeo Castellucci nahm ebenfalls die Frauenrolle in den Fokus und thematisierte jüngst bei den Wiener Festwochen das Zwischenreich zum Tod, indem er eine Wachkomapatientin als Eurydike in seine Inszenierung integrierte.

Das aus der englischen Stadt Farnham stammende Little Bulb Theatre rudert wieder zurück zum heroisch liebeskranken Mann, der mitten im Salzburger Republic, dem Stadtkino, als Schmelzgitarrero thront, eingerahmt von einem Musikensemble, das in diesem sympathisch handgemachten Varieté-Theater auch schauspielert.

Dieser Orpheus in der Regie Alexander Scotts ist Teil des Young Directors Project, des Regienachwuchswettbewerbs der Salzburger Festspiele, und wirkt hier deplatziert. Orpheus' tragische Geschichte wird mit der flehenden Jazzmusik des großen Django Reinhardt (1910-1953) in Paris kurzgeschlossen und erscheint als Mythen-Karikatur in Revue-Form. Es moderiert die Flötenspielerin (Eugenie Pastor).

Sie animiert das Publikum auch nach den kleinsten Darbietungen zu Applaus, mit heillos großen Gesten und Grimassen entsprechend den französischen "Années folles", wie man die 1920er-Jahre in Paris ob ihrer defätistischen Ausgelassenheit nannte. Sie gibt mit aller Stummfilmexpressivität auch die Eurydike. Das ist selten komisch. Die Gruppe scheint sich selbst nicht ganz ernst zu nehmen, und wären nicht ein paar gekonnte Musiknummern (insbesondere das Solo des Countertenors Tom Penn, der auch superb Schlagzeug spielt), wäre kein Schülertheater der Welt hiermit überfordert.

Auf der Guckkastenbühne im Hintergrund öffnet sich der rote Samtvorhang immer wieder für "Orpheus"-Szenen. Zum Beispiel für eine Waldlichtung mit Tieren, wofür sich die Musikerinnen flugs Hasenzähne einschieben und Eselshufe aufstecken und spaßig durch die Stoffkulissen hüpfen. Das Naive feiernd. Dort wandelt auch Eurydike wie eine Grete-Wiesenthal-Nymphe; später wird sie einem gigantischen Vipernbiss zum Opfer fallen.

Es herrscht Budenzauber und Varieté-Stimmung mit Tischen vor der Bühnenrampe. Alles ist Ironie, ohne tiefere Bedeutung und mit viel Patina. Im Hades marschieren Zombies auf, der Höllenhund Cerberus wird mit einem Schlaflied (Guten Abend, gut' Nacht) ruhiggestellt.

Das Premierenpublikum hat nach anfänglichen Motivationsproblemen dann doch mitgemacht. In einem Wettbewerb für Regienachwuchs hat diese Produktion allerdings nichts verloren. Mit Nicolas Charaux' Walter-Kappacher-Uraufführung am kommenden Freitag ist der Wettbewerb dann abgeschlossen. (Margarete Affenzeller, DER STANDARD, 13.8.2014)