Bild nicht mehr verfügbar.

Frankreichs Präsident François Hollande will für Transparenz in der Politik sorgen.

Foto: REUTERS/Yves Herman

Wer in Frankreich einen Parlamentssitz erobert, nimmt als Berater gerne Kind und Kegel in die ehrwürdige Nationalversammlung mit. So das Fazit einer Auswertung durch das Pariser Onlineportal Mediapart. Demnach beschäftigen 115 von 577 Abgeordneten Familienmitglieder in ihrem Beraterstab. Im Unterschied zu anderen Volksversammlungen, etwa dem EU-Parlament, ist diese Art von Vetternwirtschaft in Paris nicht verboten.

Ein "Moralisierungsgesetz" der sozialistischen Regierung verpflichtet die Abgeordneten mittlerweile wenigstens zur Offenlegung ihres Vermögens. Zur politischen Transparenz gehört seit wenigen Tagen auch, Auskunft über die Verwendung jener 9504 Euro zu erteilen, die alle Deputierten vom Staat monatlich für ihren Beraterstab erhalten. Und siehe da: Ein Fünftel der Parlamentarier beschäftigt Familienangehörige.

Unter den 115 Fällen sind laut Mediapart 52 Ehepartner, 28 Söhne und 32 Töchter; dazu kommen einige Cousins, Nichten und Neffen. Und dabei handelt es sich keineswegs um Hinterbänkler: Sogar der Parlamentspräsident Claude Bartolone hat seine Ehefrau Véronique als "assistante parlamentaire" angestellt.

Mit einigem Sarkasmus wird in Frankreich registriert, dass gute Berater offenbar nicht alle eine Kaderschmiede wie Sciences Po absolviert haben müssen. Die "Beraterin" des konservativen Abgeordneten und Ex-Parteichefs Jean-François Copé, Nadia, ist zum Beispiel Kinderpsychologin von Beruf. Damit erfasst sie wohl die Psyche der Deputierten ebenso gut wie die Malerin Pauline Le Maire, die bessere Hälfte des konservativen Abgeordneten Bruno Le Maire.

Künstlerin und Waldarbeiter

Auch dessen Parteifreundin Laure de La Raudière lässt sich von ihrem Lebenspartner sekundieren, einem Waldarbeiter. Und der Konservative Jean-François Mancel lässt sich gleich von zwei Töchtern assistieren. Die Tätigkeit beider wird als "Künstlerin" angegeben. Einige Abgeordnete sehen sich genötigt, ihren Rückgriff auf den engen Familienkreis zu begründen: So hat der Sohn des Zentrumspolitikers Meyer Habib etwa eine "Matura" vorzuweisen, und die Tochter der Sozialistin Estelle Grelier verfüge über erstaunliche "Zweisprachigkeit".

Bei der Auflistung fällt auf, dass das linke Internetmagazin bei der Durchforstung der Deputiertenliste auf "mindestens" 115 Namen mit Familienanschluss gestoßen ist. Die Parlamentarier müssen nur den Namen ihrer Berater, nicht aber den Grad der Verwandtschaft oder Bekanntschaft angeben. Mediapart konnte also nur die Zahl der offenkundigen Familienmitglieder eruieren.

Und allfällige Geliebte? Vor ein paar Jahren hatte Le Monde
über die "zahlreichen Mätressen unter den etwas speziellen Beratern" in der französischen Politik berichtet. Um anzufügen, dass nach und nach die "offiziellen Gattinnen" diese Rolle übernehmen würden. Genaueres ist nicht bekannt. Von den Abgeordneten zu verlangen, hinter die Namen auch noch Bezeichnungen wie "Mätresse" zu setzen, wäre selbst im 21. Jahrhundert doch etwas viel verlangt.

Dass die Franzosen nichts dabei finden, wenn die Volksvertreter ihre Familie auf Staatskosten anheuern, hat auch mit den politischen Vorbildern zu tun: Präsident François Mitterrand beschäftigte seinen Sohn Jean-Christophe als Afrika-Experten, Jacques Chirac seine Tochter Claude als Pressereferentin. Nicolas Sarkozy beförderte seine erste First Lady Cécilia von einer einfachen "Assistentin" bis zur offiziellen "Beraterin".

Diese Tradition endete mit François Hollande. Er holte keine versteckten Geliebten in sein Team. Er nominierte nur seine frühere Lebensgefährtin Ségolène Royal, mit der er vier Kinder großgezogen hatte, als Umweltministerin. In voller Transparenz. (Stefan Brändle aus Paris, DER STANDARD, 13.8.2014)