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Am 22. August startet die deutsche Bundesliga. Natürlich ist zu befürchten, dass es hin und wieder zu Tumulten kommen wird. Die Polizei wird sich allerdings bei risikoarmen Partien selbst einsparen.

Foto: APA/ Dedert

Natürlich freut sich auch Ralf Jäger - als Privatmann - auf jede neue Bundesliga-Saison, erst recht auf die anstehende, in der Weltmeisterkicker in den deutschen Stadien auflaufen. Doch der 53-jährige SPD-Politiker ist auch Innenminister von Nordrhein-Westfalen, und als solcher hatte er vor vielen Fußball-Wochenenden zunehmend Bauchweh.

Denn in Nordrhein-Westfalen, dem mit 16 Millionen Einwohnern größten Bundesland von Deutschland, wird sehr viel gekickt. Sechs der 18 Erstligavereine (Dortmund, Schalke, Mönchengladbach, Leverkusen, dazu die Aufsteiger Köln und Paderborn) haben ihre Heimat in Nordrhein-Westfalen. Zählt man zu deren Spielen die Partien der zweiten und dritten Liga dazu, dann stehen in der kommenden Saison 231 Begegnungen auf dem Programm.

Schon bisher hat die Bereitschaftspolizei in Nordrhein-Westfalen ein Drittel ihrer Einsatzzeit für die Sicherheit bei Fußballspielen aufgewandt. Künftig würde man noch mehr Kräfte brauchen. "Das kann ich dem Steuerzahler nicht mehr vermitteln", sagt Innenminister Jäger.

Er startet daher in seinem Bundesland einen Pilotversuch. Bei Partien, die in den vergangenen drei Jahren ohne Zwischenfälle im Fansektor verliefen, zieht sich die Polizei zurück. Sie wird in den Stadien und auf dem Weg zwischen Spielstätten und Bahnhöfen weniger präsent sein. Jäger betont aber auch: "Einsätze bei Risikospielen bleiben unangetastet. Gleiches gilt für das konsequente Vorgehen gegen Gewalttäter."

Die Reaktionen fallen gemischt aus. "Wir begrüßen dieses Projekt, wir haben immer gefordert, dass mehr Verantwortung auf die Fanszene übergeht, sagt Michael Gabriel, Leiter der Koordinierungsstelle der Fanprojekte in Deutschland (KOS). Es sei wissenschaftlich erwiesen, dass Zurückhaltung der Polizei deeskalierend wirke. DFB (Deutscher Fußballbund) und DFL (Deutsche Fußball Liga) wollen die Ergebnisse des Pilotversuchs erst abwarten, erklären aber, solange die Sicherheit gewährleistet sei, spreche nichts gegen eine Reduzierung.

Wasserwerfer kaufen

Kritik hingegen kommt vom CDU-Innenexperten Wolfgang Bosbach. Die Einzigen, die vom Rückzug profitieren würden, seien gewaltbereite "Problemfans". Auch Arnold Pickert, Chef der Polizeigewerkschaft in NRW, erklärt: "Statt gewaltbereite Fußballstraftäter zu isolieren und konsequent strafrechtlich zu verfolgen, ziehen wir uns jetzt auf Hinterhöfe und in Seitenstraßen zurück, überlassen denen die Straßen. Das ist völlig inakzeptabel."

Und Robert Schäfer, Geschäftsführer des Drittligisten Dynamo Dresden, fragt: "Sollen wir uns demnächst Wasserwerfer und Waffen kaufen und vielleicht von Schusswaffen Gebrauch machen oder Söldner anwerben?"

Gründlich analysieren wird das von Grün-Rot regierte Baden-Württemberg das Experiment, denn dort schwebt SPD-Innenminister Reinhold Gall Ähnliches vor. Er betont: "Wir sind doch aufgerufen, die Steuermittel möglichst effizient einzusetzen."

Das findet auch das klamme, kleine Bremen, wo die rot-schwarze Regierung für Sicherheitskräfte ebenfalls nicht mehr so viel zahlen, dennoch aber einen anderen Weg gehen will. Nach österreichischem Vorbild (siehe Artikel rechts) wollte das Bundesland die Deutsche Fußball Liga an den Kosten für Bundesliga-Spiele beteiligen.

Das bringt Bremer Fans nun um die Chance, die weltmeisterliche Elf im Weserstadion spielen zu sehen. Denn der DFB hat daraufhin das eigentlich für 14. November in Bremen geplante EM-Qualifikationsspiel Deutschland gegen Gibraltar kurzerhand ins bayerische Nürnberg verlegt. (Birgit Baumann aus Berlin, DER STANDARD, 9.8.2014)