Durch kleinste Zugänge flexibel zum Ort der Operation zu gelangen und dort zielsicher behandeln: Das soll bald möglich sein. Wissenschaftler an der Leibniz Universität Hannover entwickeln Kontinuumsroboter, die aus ineinandergesteckten dünnen Röhrchen aufgebaut sind. Mit einer schlangen- oder tentakelartigen Bewegung können diese Instrumente flexibel um die Ecke herum manipulieren und werden besonders gut für Gehirnoperationen durch die Nase beziehungsweise für Eingriffe geeignet sein, bei denen nur minimale Narben entstehen sollen.
Vielversprechende Versuche
Die im Moment in der minimal-invasiven Chirurgie eingesetzten Instrumente sind größtenteils aus Edelstahl, entsprechend starr und lediglich über Gelenke steuerbar. Die neuen flexiblen, an schmale Elefantenrüssel erinnernde Roboter bestehen aus verformbarem Nitinol und sind sehr dünn: unter 2,5 Millimeter im Durchmesser. Die 33-jährige Informatikerin Jessica Burgner-Kahrs Dwar war von 2010 bis 2012 Research Associate bei einem der Pioniere auf diesem Gebiet an der Vanderbilt University in Nashville, USA. Dann kam sie mit einem Stipendium zur Rückgewinnung von deutschen Wissenschaftlern aus dem Ausland ans Mechatronik-Zentrum, wo sie und ihr Team sich mit dem Thema "Kontinuumsroboter für chirurgische Systeme" beschäftigen.
Die ersten Versuche an Modellen sind sehr vielversprechend. Nach Einschätzung von Burgner-Kahrs werden noch etwa fünf bis zehn Jahre Forschung nötig sein, bis die Roboter tatsächlich in der medizinischen Praxis eingesetzt werden können. "Wir forschen sehr interdisziplinär zwischen Informatik, Maschinenbau, Elektrotechnik und Medizin", so die Jungforscherin. Die Informatik kümmert sich um die Algorithmen, mit denen mehrere Motoren den Antrieb der Geräte steuern. Mit Materialfragen und baulichen Aspekten befassen sich Maschinenbau und Elektrotechnik.
Im Moment fokussieren sich die Wissenschaftler auf zwei Einsatzfelder der neuen Roboter. Zum einen testen sie den Einsatz bei der Operation von gutartigen, relativ häufig vorkommenden Hypophysen-Tumoren im Gehirn. Diese Tumoren mit ihrer geleeartigen Konsistenz können durch die flexiblen Geräte sehr gut zum Beispiel durch die Nase erreicht werden. Zum anderen geht es um das Absaugen von Blutgerinnseln im Gehirn von Schlaganfallpatienten. Bisher wurden die Roboter an Plastik- und auch Leichenschädeln ausprobiert. Im Anschluss sind Versuche an Schweinen geplant, bevor es in Richtung Patientenstudien und Zusammenarbeit mit Industriepartnern geht. Durch bereits jetzt großes Interesse von Ärzten ist die Praxis-Erprobung auf einem guten Weg. (red, derStandard.at, 11.8.2014)