Nicht nur US-Präsident Barack Obama und seine Demokraten, auch die amerikanische Öffentlichkeit und sogar weite Teile der Republikaner haben aus den Misserfolgen der US-Einsätze in Afghanistan, Irak und zuletzt auch in Libyen einen klaren Schluss gezogen: keine massiven Militärinterventionen in solchen Krisengebieten mehr.

Aber die USA sind auch die einzige Supermacht, die eingreifen kann, wenn in einem strategisch wichtigen Teil der Welt die schlimmsten Extremisten auf dem Vormarsch sind, Massaker begehen und Verbündete bedrohen. Dann müssen die USA handeln.

Obama nimmt angesichts der jüngsten Erfolge der Islamistenmiliz Islamischer Staat (IS) eine typische „Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass“-Haltung ein: humanitäre Hilfe für vom Hungertod bedrohte Flüchtlinge und vereinzelte Luftschläge, um den Vormarsch der IS in Richtung der Hauptstadt des irakischen Kurdistan, Erbil, zu stoppen.

Kurden sind schwächer als erwartet

Und dann geht es Obama, wie er in seiner Rede spätabends erklärte, um die Sicherheit der eigenen Militärberater, nicht etwa um eine Unterstützung der Kurden, deren Peschmerga-Miliz sich gegenüber der IS weitaus schwächer erweist als erwartet.

Das ist wenig, was Obama hier angekündigt hat, und wahrscheinlich ist es zu wenig. Die IS stellen inzwischen eine so große Bedrohung für die Region dar – militärisch, politisch und moralisch –, dass Amerika nicht abseits stehen kann.

Der Spagat zwischen einer Einflussnahme auf Ereignisse, die auch westliche Interessen massiv berühren, und dem Wunsch, eine militärische Verstrickung – auch mit eigenen Todesopfern – zu vermeiden, ist so kaum zu schaffen.

Humanitäre Hilfe als erster Schritt

Die humanitäre Hilfe für die geflüchteten Jesiden und Christen ist wahrscheinlich nur der erste Schritt für eine Rückkehr des US-Militärs in die Region, diesmal zur Rettung des autonomen Kurdistans, das als einzige Region im Irak eine Art Normalität geschaffen hat. Wenn die IS ihren Vormarsch im Irak und Syrien fortsetzt, dann werden die USA den Einsatz wohl oder übel ausweiten müssen.

„Mission Creep“ heißt dieses Phänomen des ungeplanten Hineinschlitterns unter Militärstrategen, die immer davor warnten. Den Einsatz von Bodentruppen hat Obama zwar kategorisch ausgeschlossen – aber selbst ob diese rote Linie hält, ist angesichts der Gefahr, die von der IS ausgehen könnte, nicht ganz sicher.

Der Irakkonflikt, der Obama einst den Weg ins Weiße Haus geebnet hat, lässt ihn nun nicht los. (Eric Frey, derStandard.at, 8.8.2014)