Aufatmen im Europäischen Raumflugkontrollzentrum in Darmstadt: Nach über zehnjähriger Reise und mehr als sechs Milliarden zurückgelegten Kilometern schwenkte die Raumsonde Rosetta am gestrigen Mittwoch in eine Umlaufbahn um den Kometen Tschurjumov-Gerasimenko ein. Damit ist eine der heikelsten Phasen dieser ehrgeizigen Mission der Europäischen Weltraumbehörde ESA überstanden.

Flexibilität und Improvisationstalent wurden den ESA-Forschern dabei schon des öfteren abverlangt. Denn ursprünglich sollte Rosetta bereits Anfang 2003 starten und ab 2011 einen anderen Kometen, nämlich 46P/Wirtanen, begleiten. Probleme mit dem Trägerraketenprogramm Ariane 5 erforderten jedoch einen mehr als einjährigen Aufschub - und damit auch die Auswahl eines anderen Zielkometen. Am 2. März 2004 begann Rosetta schließlich ihre lange Reise, deren Ziel sie nun erreichte.

In den folgenden Monaten soll Rosetta den Kometen mit dem Spitznamen "Tschuri" kartografieren und die für November geplante Landung der Landeeinheit Philae vorbereiten. Gelingt dieses Manöver, wäre es die erste Landung auf einem Kometen in der Geschichte der Raumfahrt. Während sich der Komet stetig der Sonne nähert und seine Aktivität dadurch zunimmt, sollen Rosetta und Philae Daten sammeln und Experimente durchführen. Zum Einsatz sollen dabei unter anderem auch am Grazer Institut für Weltraumforschung (IWF) entwickelte Messgeräte kommen.

Die Wissenschafter erhoffen sich von der Mission neue Erkenntnisse über die Zusammensetzung von Kometen und damit auch über die Entstehung des Sonnensystems. Von der Hoffnung auf die Entschlüsselung uralter Rätsel rührt übrigens auch der Name der Sonde her: Schließlich ermöglichte der Stein von Rosetta maßgeblich die Übersetzung ägyptischer Hieroglyphen. Der Lander Philae ist konsequenterweise nach jener Insel im Nil benannt, auf der 1815 ein Obelisk entdeckt wurde, der wiederum zur Entschlüsselung des Steins von Rosetta beitrug.

Welche Rätsel die Raumsonde noch lösen wird, ist zwar noch nicht absehbar. Ihren Platz in der Geschichte der Raumfahrt hat sich Rosetta allerdings gestern definitiv gesichert. Und erste Daten vom Kometen sind inzwischen auch schon eingetroffen: Demnach liegt dessen durchschnittliche Oberflächentemperatur bei minus 70 Grad Celsius. (David Rennert, DER STANDARD, 7.8.2014)