"Jede Stimme muss gleich viel wert sein." Unter diesem Vorhaben unterzeichneten Grüne, FPÖ und ÖVP, die damaligen Oppositionsparteien in Wien, vor der Gemeinderatswahl 2010 einen Notariatsakt, mit dem sie für eine Wahlrechtsreform in der Bundeshauptstadt eintraten. Das gültige System bezeichneten sie als ein künstliches, das die SPÖ bevorzuge.

Auch wenn keine Pönalen bei einem Bruch der Vereinbarung fixiert wurden - alle Beteiligten beteuerten, sich tunlichst an die Vereinbarung zu halten, um die kleinen Parteien zu stärken. Schließlich gebe es diesbezüglich einen moralische Druck, und man stünde unter Beobachtung der Öffentlichkeit. Im Herbst 2010 wurde in Wien gewählt, die SPÖ verlor an Stimmen und bildete eine Koalition mit den Grünen. Und was wurde aus der versprochenen Wahlrechtsreform, zu der sich auch die Grünen bekannt hatten und die sie gleich nach der Wahl umsetzen wollten? Nichts. Zahlreiche Ankündigungen führten zu keinem Ergebnis.

Auch ein Jahr vor der Wien-Wahl ist die Wahlrechtsänderung längst keine beschlossene Sache. Es sind vier Jahre vergangen - nun wird die Zeit langsam knapp. Immerhin zeichnet sich jetzt eine Einigung ab. Aber immer noch sollen, so wird es jedenfalls kolportiert, 47 Prozent der Stimmen reichen, um 50 der insgesamt 100 Mandate zu bekommen.

Ein fauler Kompromiss, sollte die Reform tatsächlich so beschlossen werden: Den Grünen gelingt es offensichtlich nicht, sich im Sinne der Kleinparteien durchzusetzen, und die SPÖ setzt alles daran, möglichst wenig Macht abgeben zu müssen.

Auch in Sachen Wahlrecht für EU-Bürger auf Gemeindeebene ist es der Regierung bislang nicht gelungen, entsprechende Schritte zu setzen. Die Anpassung der viel kritisierten Briefwahlregelung an jene des Bundes ist noch ausständig. Ein großes Demokratiepaket sieht anders aus. (Rosa Winkler-Hermaden, derStandard.at, 6.8.2014)