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Ein Vierer vorn wird für Michael Häupl auch weiterhin reichen, um eine absolute Mehrheit zu bekommen. Die Grünen unter Maria Vassilakou konnten die Hürde beim Wahlrecht aber immerhin etwas anheben.

Foto: apa/fohringer

Wien - Nach jahrelangen Verhandlungen um ein neues Wiener Wahlrecht zeichnet sich nun eine Einigung zwischen SPÖ und Grünen ab. Die Reform soll nach dem Sommer beschlossen werden, berichtete Ö1 im "Morgenjournal" am Mittwoch.

Die nun vorliegende Kompromisslösung soll laut Ö1 folgendermaßen aussehen: Die Sozialdemokraten müssten künftig rund 47 Prozent der abgegebenen Stimmen erreichen, um 50 der insgesamt 100 Mandate zu bekommen. Derzeit, so schätzen Experten, würden der SPÖ bereits 44 oder 45 Prozent der Stimmen für eine absolute Mehrheit reichen.

Grüne und SPÖ relativieren

Der Verhandlungsführer und SPÖ-Klubobmann Rudolf Schicker relativierte das Ergebnis allerdings am Mittwoch im Gespräch mit derStandard.at. Beim Thema Mandatsverteilung fehle noch der Schlussstein, er sei jedoch guten Mutes, dass "wir das zustande bringen, rechtzeitig vor der Wahl".

Georg Prack, Landessprecher der Grünen, schränkte ebenfalls ein: Bei der Mandatsverteilung liegen die Positionen sehr weit auseinander, sagte er gegenüber derStandard.at. Regierungspolitik bedeute aber immer, dass man Kompromisse machen müsse. "Weder werden sich die Grünen noch die SPÖ zu 100 Prozent durchsetzen." Keiner der Koalitionspartner wollte sich im Detail zu den kolportierten 47 Prozent äußern. Es werden aber weiterhin weniger als 50 Prozent für die absolute Mehrheit ausreichen.

Notariatsakt ging voran

Das mehrheitsfreundliche Wiener Wahlrecht war vor vier Jahren der Grund, warum sich die damalige Wiener Opposition aus ÖVP, FPÖ und den Grünen in einem Notariatsakt dazu verpflichtet hatte, das Wiener Wahlrecht zu reformieren.

Damals hieß es, beim neuen Wahlrecht solle die Anzahl der Mandate einer Fraktion im Wiener Gemeinderat möglichst genau ihrem prozentuellen Stimmenergebnis entsprechen. Das heißt, 50 Prozent der Stimmen sollten 50 der 100 Gemeinderatsmandate bringen.

Ringen um Reform

Seit der vergangenen Wahl im September 2010, die zu einem Verlust der absoluten Mehrheit der SPÖ und einer Regierungsbeteiligung der Grünen geführt hatte, rangen die zwei Parteien um eine Lösung. Für David Ellensohn, Klubobmann und Chefverhandler der Grünen, ist nun klar: "Exakt das Wahlrecht, das sich die Grünen wünschen, wird es nicht geben. Und ganz sicher wird es das Wahlrecht, so wie es jetzt existiert, auch nicht mehr geben", sagte er im Ö1-"Morgenjournal".

Der Verhandlungsführer und SPÖ-Klubobmann Rudolf Schicker erklärte im "Morgenjournal": "Wir wollen sehr nahe an dem bleiben, was in Wien Bestand hat. Nämlich ein Wahlrecht, das eine gewisse mehrheitsfördernde Komponente hat." Das Regieren sei einfacher, wenn große Parteien zusammenarbeiten oder gar allein regieren können.

Beschluss im Herbst

Dieses vorläufige Ergebnis ist noch inoffiziell und soll von Rot-Grün noch vor der kommenden Wien-Wahl 2015 im Wiener Landtag beschlossen werden. Dass das neue Wahlrecht bei der Wahl zur Anwendung kommen wird, darin sind sich die Koalitionspartner einig. Ob die Reform aber schon nach dem Sommer beschlossen wird, wie Ö1 am Mittwochmorgen berichtete, sei noch nicht klar. Das würden sich die zwei Parteien "wünschen".

Der rote Klubobmann wolle außerdem noch mit den Oppositionsparteien sprechen: "Wenn ein guter Vorschlag von ÖVP oder FPÖ kommt, werden wir das berücksichtigen."

Da es sich bei der Wahlrechtsreform nicht um Verfassungsmaterie handelt, können die Koalitionspartner den Beschluss ohne die Stimmen einer Oppositionspartei fassen.

Briefwahlregelung wird an Bund angeglichen

Einigkeit gibt es zumindest schon in anderen Punkten der Wahlrechtsreform. Die Briefwahlregelung werde an jene des Bundes (ohne Nachsendefristen) angeglichen. Es werde eine Stärkung der Persönlichkeitswahl geben, die Erleichterungen für Vorzugsstimmenkandidaten bringen soll. Außerdem wollen sich beide Koalitionspartner für das Wahlrecht von EU-Bürgern ohne österreichischen Pass und Drittstaatenangehörige auf Gemeinderatsebene einsetzen. Man wolle an den Nationalrat appellieren, eine Änderung in der Bundesverfassung vorzunehmen.

Kritik der Opposition

Die Lösung sei "kein Kompromiss, sondern ein Kniefall der Grünen vor der SPÖ, die vom Koalitionspartner einmal mehr über den Tisch gezogen wurden", kritisiert Manfred Juraczka, Landesparteiobmann der ÖVP Wien, via Aussendung am Mittwoch. Die Grünen hätten nicht nur den mit ÖVP und FPÖ beschlossenen Notariatsakt gebrochen, sondern damit auch eines ihrer zentralen Wahlversprechen gebrochen. Ein faires Wahlrecht sei nur durch eine Reform des Mandatszuteilungsverfahrens analog zur Nationalratswahlordnung zu erreichen. (red/cmi, derStandard.at, 6.8.2014)