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Wien - Als Abdul 2010 allein nach Österreich kam, hatte er bereits einige Jahre Fluchtodyssee hinter sich. Der heute 22-jährige Afghane hat sich als Aushilfskellner und Bauarbeiter in Pakistan, im Iran, in der Türkei, Bosnien und Serbien durchgeschlagen, bis er in Wien auf dem Weg nach Belgien von der Polizei aufgegriffen wurde. Ohne Papiere, ohne Deutschkenntnisse und ohne Ausbildung.

Es ist die Misere vieler junger Flüchtlinge, dass sie ohne Schul- oder Berufsausbildung in ihrer neuen Heimat landen. Wer älter ist als 16, wird in Österreich im Normalfall nicht mehr in das Regelschulsystem eingeschult. Doch was dann? Der Pflichtschulabschluss ist die Voraussetzung für eine weiterführende Schule oder den Eintritt ins Arbeitsleben.

Perspektivenlos ohne Ausbildung

In Österreich trifft das auf etwa 75.000 Jugendliche zu, ein großer Teil von ihnen mit Migrationshintergrund. Bei jungen Flüchtlingen kommt noch hinzu, dass sie oft Angehörige verloren haben, traumatisiert sind und auf sich allein gestellt. Nicht gerade die besten Voraussetzungen, um sich durch den Behördendschungel zu kämpfen und einen Ausbildungsplatz zu bekommen.

Der Verein Bildungsinitiative Österreich hat das Projekt Prosa ins Leben gerufen und im Oktober 2012 damit begonnen junge Flüchtlinge zu unterrichten. Diesen Juli haben die ersten 13 ihren Abschluss gemacht. Die Kurse halten vor allem ehrenamtliche Lehrer und Studenten, das Gymnasium in der Rahlgasse stellt Prosa die Räume zur Verfügung.

Wegen Quotensystem gut vernetzt versetzt

56 Schüler aus 15 Staaten und zwei staatenlose Mädchen werden derzeit betreut. Einige mit Familie, andere alleinstehend, bei vielen gibt es offene Asylverfahren. Erst kürzlich hätte ein Schüler von Wien in die Steiermark wechseln müssen. "Wegen des Quotensystems", erzählt David Zistl von Prosa. Weil er aber in Wien sehr gut eingelebt war und nicht umziehen wollte, verlor er die Grundsicherung. Auch dafür ist Prosa da: Es gibt Rechtsbeistand, Sozialarbeiter und Psychologen.

Abdul, der nach wechselnden Aufenthalten in Traiskirchen und in Asylheimen jetzt in Wien lebt, drückt seit einigen Wochen die Schulbank. "Ich möchte Automechaniker werden", erzählt er, "ein eigenes Leben haben." Prosa habe ihm dabei sehr geholfen. Neben ihm sitzt Sori (16), ebenfalls aus Afghanistan. Ein Jahr wird es noch dauern, dann kann sie zur Externistenprüfung antreten. "Ich will aufs Gymnasium", sagt sie sehr bestimmt. "Und dann Geschichte studieren und nach Rom gehen. Oder nach China."

Ahmed (16) kam erst vor einem Jahr mit seiner Mutter von Somalia nach Österreich. Die Caritas habe ihn an Prosa vermittelt, er möchte sehr schnell gut Deutsch lernen, erzählt er schüchtern. Und nach der Schule? "Würde ich am liebsten Pharmazie studieren." (Julia Herrnböck, DER STANDARD, 6.8.2014)