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Erstaufnahmezentrum Traiskirchen nach dem Aufnahmestopp: Der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft gilt nur für einen kleinen Teil des Lagers.

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Traiskirchen/Wien − Nicht nur dass der Aufnahmestopp im Asylerstaufnahmezentrum Traiskirchen das Innenministerium und die Länder zu hektischer Suche nach Ersatzquartieren für Flüchtlinge zwingt, auch im Lager selbst hat der von Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll (ÖVP) erwirkte und dem STANDARD vorliegende Bescheid der Bezirkshauptmannschaft (BH) Baden vom 29. Juli 2014 Aufregung und Skurrilitäten zur Folge.

So sind dort nunmehr Ministeriumsmitarbeiter zum Essenausteilen abkommandiert − so wie bis 2003, bevor die Asylwerberbetreuung privatisiert wurde. Die Ministeriumsleute verpflegen jene Flüchtlinge, die nach dem Aufnahmestopp in Traiskirchen um internationalen Schutz ersucht haben.

Betreuung strafbar

Diese Menschen werden, den Asylverpflichtungen Österreichs entsprechend, vom Innenministerium zur rechtlichen und gesundheitlichen Erstabklärung auch weiter für bis zu einen Tag im Lager aufgenommen. Doch Mitarbeiter der Schweizer Betreuungsfirma ORS würden sich, so sie sich um diese Neuankömmlinge kümmerten, strafbar machen − während sie die vorher bereits im Lager anwesenden Flüchtlinge wie gehabt betreuen dürfen.

Konkret gilt die behördliche Untersagung laut Bescheid nur in drei der insgesamt 20 Häuser und Verwaltungsgebäude auf dem weitläufigen Traiskirchner Lagerareal: in jenen, in denen ORS seit Juli 2012 ihr zu diesem Zeitpunkt bei der Behörde angemeldetes Gewerbe ausübt.

Sicherheitsmängel

In diesen drei Häusern hat die BH Baden Sicherheitsmängel festgestellt. Konkret fehle ein valides "Sicherheitskonzept" für die dort befindlichen Einrichtungen, heißt es in dem wegen "Gefahr in Verzug" ausgesprochenen Bescheid: für Küche und Speisesaal, Lager und Anlieferung, Freizeit- und Sozialräume für Asylwerber sowie Büros und Aufenthaltsräume für das Personal.

Indes ist es keineswegs neu, dass die Betreuungsfirmen − dem 2003 beauftragten deutschen Unternehmen European Homecare folgte 2012 ORS − in Traiskirchen ohne behördlich sanktioniertes Sicherheitskonzept tätig sind. Von European Homecare hatte die BH Baden erstmals 2009 ein solches verlangt.

"Sanierungskonzept"

Und sie hatte es auch bekommen: Am 22. Jänner 2010 stellte der Fachberater für Sicherheitstechnik, Robert Goliasch, für die Gewerbeeinrichtungen im Lager ein dem STANDARD vorliegendes "Sanierungskonzept" fertig; im aktuellen Traiskirchen-Bescheid der BH Baden wird es nicht erwähnt.

Dafür ist darin von einem lediglich aus vier Seiten bestehenden Sicherheitskonzept von ORS von Juni 2012 die Rede − sowie von dessen Evaluierung durch den gerichtlichen Sachverständigen Hannes Dopler von November 2012.

Druckmittel?

Dopler zerreißt das Vier-Seiten-Papier in der Luft: Konzeptionelle Grundlagen würden ebenso fehlen wie eine Risikoanalyse und Schutzmaßnahmen für Angestellte. "Dass ein Lager mit hunderten Bewohnern ein Sicherheitskonzept braucht, ist nicht von der Hand zu weisen", meint dazu der Anwalt und Asylexperte Georg Bürstmayr: "Die Frage ist, warum dessen Fehlen bis vor einer Woche einfach hingenommen wurde." Möglicherweise sei das Dopler-Gutachten als Druckmittel "in der Hinterhand" behalten worden. (Irene Brickner, DER STANDARD, 6.8.2014)