Bernie Ecclestone hat das Münchner Landgericht am Dienstag als freier Mann verlassen − nicht weil er zuvor freigesprochen worden war, sondern weil das Verfahren gegen ihn eingestellt wurde. Der 83-jährige Brite gilt damit als offiziell unschuldig, ist nicht vorbestraft, wenngleich um 100 Millionen Dollar (75 Millionen Euro) ärmer. Das dürfte er verschmerzen, denn als freier Mann kann er weiterhin die Zügel bei der Formel 1 in der Hand halten.

Es hätte auch anders kommen können. Seit April stand Ecclestone vor dem Landgericht München − angeklagt wegen des Verdachts der besonders schweren Bestechung. Nach jahrelangen Ermittlungen war die Staatsanwaltschaft überzeugt: Ecclestone hatte den ehemaligen Banker der BayernLB, Gerhard Gribkowsky mit 44 Millionen Dollar bestochen, damit dieser die Anteile der Bank an der Rennserie an einen Investor verkauft, der Ecclestone genehm ist.

Zu den Anteilen war die Bayernbank zuvor ein wenig wie die Jungfrau zum Kind gekommen: Sie waren im Zuge der Pleite des Medienunternehmers Leo Kirch der Bank zugefallen. Es sei Big Boss Ecclestone daher in den Jahren 2005 und 2006 um "seine Macht und Kontrolle" im Rennzirkus gegangen, erklärten die Staatsanwälte noch, als sie am ersten Prozesstag die Anklage vortrugen.

In den danach folgenden Verhandlungstagen war das Schauspiel zweier Männer zu beobachten, die sich einmal näher gestanden sind, mittlerweile aber nichts mehr zu sagen haben: Ecclestone und Gribkowsky. Dass der Banker das Geld von Ecclestone bekommen hatte, stand gar nicht zur Debatte. "Es ist unbestreitbar, dass die 44 Millionen geflossen sind", sagte Ecclestones Anwalt Sven Thomas gleich zu Beginn.

Opfer einer Erpressung

Im Prozess ging es darum, ob die Zahlung als Bestechung eines Staatsdieners gewertet werden konnte. Nein, ließ Ecclestone, der bei jedem Verhandlungstag persönlich anwesend sein musste, bald erklären. Vielmehr sei er von Gribkowsky erpresst worden und habe deshalb gezahlt.

Denn, so Ecclestones Version: Gribkowsky habe selbst in die Formel 1 einsteigen wollen und Ecclestone gedroht, ihn bei der Steuer anzuschwärzen, den Finanzbehörden also zu erzählen, dass es womöglich bei der Familienstiftung "Bambino" der Ecclestones nicht ganz sauber zugehe.

Gribkowsky war als Zeuge geladen. Er ist wegen Annahme der Millionen zu 8,5 Jahren Haft verurteilt worden. Seit 2013 ist er Freigänger und arbeitet für den Baukonzern Strabag. Der 56-Jährige entlastete Ecclestone zunächst, später sprach er doch von einem Bestechungsversuch in Singapur, bei dem Ecclestone 80 Millionen Dollar geboten haben soll.

Dubioses Angebot

"Die Vereinbarung war: Er kümmert sich um den Verkauf, ich stelle mich nicht quer", sagte Gribkowsky am zweiten Tag seiner Vernehmung. Die 80 Millionen Dollar habe er allerdings nicht angenommen. "Das Angebot war mir zu dubios", so der Exbanker.

Und so wäre es wohl noch monatelang weitergegangen, wenn nun nicht die Einstellung des Verfahrens den Prozess beendet hätte. Der Vorsitzende Richter Peter Noll begründete das Ende so: "Sofern überhaupt Anklagepunkte übrig bleiben, wiegen diese nicht so schwer, dass sie einer Einstellung entgegenstehen. Der Verdacht der Bestechung habe sich in wesentlichen Teilen nicht erhärtet. So habe man "Bernie" nicht nachweisen können, gewusst zu haben, dass Landesbanker Gribkowsky ein bayerischer Staatsdiener gewesen sei.

Im Falle einer Verurteilung hätten Ecclestone bis zu zehn Jahre Haft gedroht. Dementsprechend erleichtert zeigte er sich am Dienstag. "Vielen Dank, ich werde der Auflage nachkommen", erklärte er, bevor er sich von den Richtern, Staatsanwälten und Dolmetschern per Handschlag verabschiedete. Von den 100 Millionen Dollar gehen 99 Millionen an die bayerische Staatskasse, eine Million erhält die Kinderhospiz-Stiftung.

(Birgit Baumann aus Berlin, DER STANDARD, 6.8.2014)