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Noch bietet eine Kirche nahe Mossul Zuflucht für Christen, die von der islamistischen Miliz IS aus der Stadt vertrieben wurden.

Foto: Reuters/Stringer

"Es ist eine Revolution. Aber wir haben Probleme", so zitiert ein Reuters-Reporter einen Stammesscheich in der irakischen Stadt Ramadi: Der Mann ist einer jener Sunniten, die im Frühsommer eine Allianz mit den vorrückenden Jihadisten des "Internationalen Staats im Irak und Syrien", später verkürzt in "Islamischer Staat" (IS), eingingen, um aus ihren Gebieten die Vertreter der irakischen Zentralregierung zu vertreiben. Nach dem Wahlsieg des verhassten Schiiten Nuri al-Maliki bei den Parlamentswahlen Ende April - und angesichts der Aussicht auf eine dritte Amtszeit Malikis - ergriffen die frustrierten sunnitischen Stämme die Chance, mit einer reichen, militärisch gut ausgestatteten und organisierten Miliz zusammenzuarbeiten.

Mit dem "Problem" der sunnitischen Revolution, das der Scheich anspricht, ist die ungebrochene, ja wachsende Dominanz der Jihadisten gemeint: Die Stammessunniten, aber vor allem die ebenfalls zur Allianz gehörenden Altbaathisten rund um Saddam Husseins ehemaligen Vizepräsidenten, Izzat Ibrahim al-Duri, waren davon überzeugt, den Besen, den sie gerufen hatten, kontrollieren zu können. Sie selbst würden sich der IS bedienen, nicht umgekehrt.

Ideologie wird durchgesetzt

Die Entwicklungen der vergangenen Wochen geben ihnen unrecht. Die IS wird stärker. Und sie nimmt keine Rücksichten mehr auf ihre Alliierten, etwa die sunnitischen arabischen Nationalisten in Mossul, denen jede Feindschaft zu den Christen fremd ist. Andersgläubige werden vertrieben oder umgebracht. Die muslimische Bevölkerung muss sich den perversen Regeln der Brachialislamisten unter Abu Bakr al-Baghdadi, der sich zum "Kalifen Ibrahim" küren ließ, beugen.

Als die irakische Armee im Juni vor der IS die Flucht ergriff, waren es die Kurden, die nicht nur ihre Gebiete verteidigten, sondern auch in einige zuvor von der nationalen Armee geräumte vorrückten. Die kurdischen Peschmerga wurden immer als stärker, disziplinierter und geschlossener als alle anderen angesehen. Dass nun auch sie Verluste erleben, wie den Mossul-Staudamm oberhalb von Mossul und Städte und Ortschaften rund um Sinjar, ist ein schwerer Schlag. Wenige gesicherte Details darüber, was am Wochenende passierte, sind bekannt, aber auch sie dürften, wie die irakische Armee, bei ihrem Rückzug der IS militärisches Gerät überlassen haben. Die IS hat Waffen, Ölfelder, sie hat die Banken in den eroberten Gebieten geleert, sie greift auf das Eigentum von Flüchtlingen, von ihr Ermordeten zu. Und jetzt hat sie auch einen Staudamm.

Bröckelndes Fundament

Der Mossul-Damm war in den vergangenen Jahren immer wieder Anlass für Sorge: Das Fundament bröckelt. Bagdad beruhigte stets: Es würden ständig Erhaltungsarbeiten durchgeführt. Ungefähr eine halbe Million Menschen wäre betroffen, sollte der Damm brechen, aus welchen Gründen auch immer. Aber das Szenario, dass die Jihadisten eine Katastrophe verursachen könnten, ist zumindest momentan gering, denn sie halten ja Gebiete unterhalb des Damms. (guha, DER STANDARD, 5.8.2014)