"Celibataires" (1989) von Wolfgang Ernst.

Foto: Christoph Fuchs

Krems - Die Aura eines Kirchenraums strahlt ab auf das, was darin steht. Im Falle der minimalistischen Kunst von Wolfgang Ernst mag man sich allerdings die Huhn-Ei-Frage stellen: Wäre seine Kunst nicht in der Lage, jeden x-beliebigen Raum zu sakralisieren? In der Dominikanerkirche, wo derzeit die Personale Licht Blei & Schatten zu sehen ist, halten sich die Zauberkräfte von Kunst und Kirche jedenfalls die Waage.

Aus Stahl, Holz, Ziegeln, Neon, Blei, Gras, Kupfer oder Federn bestehen die Objekte des 1942 in Wien geborenen Künstlers, die die Weltentrücktheit der im 12. und 13. Jahrhundert errichteten Kirche auf wunderschöne Art und Weise verstärken. Schwarz übermalte Zeitungsbögen lassen die Welt draußen zugunsten von Zeitlosigkeit zurücktreten: Für die Installation Lichtspeicher (1997) überpinselte Ernst die Seiten zum "Modernen Leben" aus der Zeit. Die Arbeit Anhäufung über Wien (1972) lässt in einem Fensterrahmen den Stephansdom hinter einer Schicht Erde versinken.

Unweit des Doms hatte Wolfgang Ernst seine erste Ausstellung. Monsignore Otto Mauer, Priester, Mäzen und Betreiber der auf Gegenwartskunst spezialisierten Galerie nächst St. Stephan, lud den gelernten Tischler und künstlerischen Autodidakten 1970 ein. Dessen Arbeiten waren nicht nur von Walter Pichler oder der Arte povera beeinflusst, sondern vor allem auch vom Austausch mit Wiener Persönlichkeiten wie Reinhard Priessnitz oder Kurt Kren.

Eine wichtige Referenz sind aber auch (Sprach-)Philosophie, zeitgenössische Musik oder die Schriften der Komponisten John Cage und Morton Feldman. Wie Cage, der im Bestreben, die Autonomie der Klänge zur Geltung kommen zu lassen, letztendlich die Stille zum Stück machte, hat auch Ernst eine Affinität zu Philosophie und Mystik.

Das Verschwindenlassen der Welt ist denn auch nur ein Aspekt der Schau, ebenso geht es um Neuerschaffung. Durchgänge und Raumgrenzen spielen wichtige Rollen. So hat Ernst Chor und Langhaus der Kirche durch eine mit Spiegeltür versehene schwarze Mauer getrennt. Sonst führen seine Leitern, Fenster und Türen meist nirgends hin. Wo diese Objekte des Übergangs mit Text versehen sind, mag man an Wittgensteins Axiom "Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt" denken.

Zum vielschichtigen Werk Ernsts gehören aber auch die aus verrottender Mortadella bestehenden Hoehlen-Texte: in gewisser Weise ein reizvoller Kontrapunkt zur Zeitlosigkeit, die den Raum bestimmt. (Roman Gerold, DER STANDARD, 5.8.2014)