Sie hat die Zuschreibung als "Ehrentitel" verstanden und sich auch souverän dazu bekannt: Ja, sie sei eine Emanze, sagte Nationalratspräsidentin Barbara Prammer vor ihrem Tod einmal, als Sozialdemokratin naturgemäß eine linke Emanze. Das sollten alle wissen. Keine Angst vor bornierten Reaktionären, die "Emanze" nur als Schimpfwort verwenden. Kein Herumgerede nach der oft gehörten Formel von vielen Politikerinnen: Ich und Emanze?! Nicht doch! Aber emanzipiert natürlich eh.

Prammer war selbstbewusst Emanze. Also eine, die sich emanzipiert hat - und die für die Emanzipation anderer kämpfte, denen diese Selbstermächtigung aus unterschiedlichen Gründen allein nicht gelingt, die Hilfe brauchen.

Genau das ist die genuine Aufgabe von Politik, nicht nur von Frauenpolitik. Menschen aus den Verhältnissen - versteinerten Diskriminierungen, tradierten Ungleichheitslagen und hegemonialen Strukturen, darunter hartnäckige paternalistische - zu befreien, einen Ausweg in ein selbstbestimmtes Leben zu zeigen. Sie zur gesellschaftlichen, vor allem demokratischen Teilhabe zu befähigen - weil eine Demokratie ohne Geschlechterdemokratie defizitär ist.

Für "Es reicht, alles erreicht!" ist es noch zu früh. Man erinnere sich an die Themen unbezahlte Familienarbeit, Einkommensschere oder Unterrepräsentanz von Frauen in Politik und Wirtschaft. Prammer wusste das und tat etwas. Sie hat dem Titel Emanze alle Ehre gemacht. (Lisa Nimmervoll, DER STANDARD, 5.8.2014)