Adelaide - Erhöhter Nahrungsverbrauch, geringere Flexibilität, längerer Fortpflanzungszyklus und aus allem resultierend eine verringerte Fähigkeit, sich auf Veränderungen der Umweltbedingungen einzustellen: Größe hat ihren Preis und führt oft in eine evolutionäre Sackgasse. Die Dinosaurier konnten sich daraus jedoch wieder befreien und wenigstens eine ihrer Entwicklungslinien über das von einem Asteroideneinschlag ausgelöste Massenaussterben vor knapp 66 Millionen Jahren hinwegretten: die Vögel. Der Weg dorthin begann schon früh, wie eine aktuelle Studie in "Science" zeigt.

Zum Bild: 50 Millionen Jahre umfassende Theropoden-Abstammungslinie mit eindeutiger Schrumpfungstendenz. Von links nach rechts geht es vom ursprünglichen Neotheropoden (220 Millionen Jahre alt) über den ersten der Tetanurae (200 Mio.), den Coelurosaurier-Ahnen (175 Mio.) und den frühesten Paraves (165 Mio.) bis zum Archaeopteryx (150 Mio.).

Illustration: Davide Bonnadonna

Forscher um Michael Lee von der Universität Adelaide haben sich der Entwicklung dieser Dinosauriergruppe erstmals auf statistische Weise genähert. Mit einem Datenset, das 1.500 anatomische Merkmale von 120 gut dokumentierten Theropodenspezies umfasste, untersuchten sie den in den Vögen resultierenden Evolutionsweg und konnten daraus Aussagen über die durchschnittliche Entwicklung innerhalb dieser Gruppe ableiten.

Zum Bild: Mögliches Zusammenleben im Norden Chinas vor 120 Millionen Jahren: Vögel der Spezies Longirostravis nutzen den Kopf des gefiederten T-rex-Verwandten Yutyrannus als Start- und Landeplatz.

Illustration: Brian Choo

Der Weg führt über die Theropoden im Allgemeinen bis zum immer enger werdenden Verwandtschaftskreis der Vögel: die Tetanurae, die artenreiche Gruppe der Coelurosaurier und schließlich die sogenannten Paraves, zu denen neben den Vögeln selbst immer noch viele andere Spezies zählen - etwa die Dromaeosauriden wie der Velociraptor. Das Durchschnittsgewicht in diesen jeweiligen Gruppen fiel von etwa 163 Kilogramm vor über 200 Millionen Jahren bis auf gerade mal 800 Gramm ca. 50 Millionen Jahre später, zur Zeit des Archaeopteryx.

Zum Bild: Den frühen Vogel fängt der Microraptor. Der kreidezeitliche Räuber macht sich über seine entfernten Cousins der Spezies Sinornis her.

Illustration: Brian Choo

Dieser evolutionäre Miniaturisierungsprozess lief den Forschern zufolge in mehreren Schüben ab. Er ging einher mit der Herausbildung von "vogelähnlichen" Merkmalen: kürzeren Schnauzen, kleineren Zähnen und (verstärkter) Befiederung. Dazu kommt noch, dass diese so besondere Dinosauriergruppe rasch ihren Skelettaufbau veränderte. Laut Lee bildeten sich hier viermal schneller als in anderen Dinosauriergruppen neue Merkmale heraus. All diese Veränderungen beeinflussten einander gegenseitig. Als die Befiederung schließlich auch noch zur Entwicklung der Flugfähigkeit genützt werden konnte, eröffneten sich dieser Dino-Gruppe ganz neue Möglichkeiten - und ließen sie schließlich als einzige die globale Katastrophe am Ende der Kreidezeit überleben. (jdo, derStandard.at, 2. 8. 2014)

Zum Bild: Größenvergleich zweier Verwandter, zwischen denen 100 Millionen Jahre liegen: Ein sieben Gramm leichter Breitschnabelkolibri und der Zahn eines sechs Tonnen schweren Carcharodontosaurus.

Abstract
Science: "Sustained miniaturization and anatomical innovation in the dinosaurian ancestors of birds"

Foto: Terry Sohl und Christophe Hendrickx