An einem Tag im Jahr darf ein jeder legal seine kriminellen Fantasien ausleben: Der Horrorfilm "The Purge: Anarchy" denkt die Gewalt auf Amerikas Straßen ein bisschen weiter.

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Wien - Jason Blum hat einmal im Leben einen schweren Fehler gemacht. "Bei Blair Witch Project habe ich nicht zugeschlagen." Damals arbeitete er noch für Harvey Weinstein, den berühmten (und berüchtigten) Independent-Mogul. Und Blums Job war es, für dessen Firma Miramax neue Filme zu finden. Mit Blair Witch Project erlebte die Branche eines jener Wunder, die immer wieder die Magie des kommerziellen Kinos befeuern: Ein Film, den man auch selbst mit Freunden im Wald hätte drehen können (die Idee hätte man halt haben müssen), spielte viele, viele Millionen Dollar ein.

Acht Jahre später sah Blum sich einem vergleichbaren Film gegenüber. Dieses Mal war er klüger. "Von Paranormal Activity bekam ich eine DVD, weil jemand dachte, der Regisseur könnte etwas für meine Firma sein. Ich rief danach sofort bei Oren Peli an und fragte ihn: Was hast du mit dem Film vor? Ach, ich habe ihn schon an eine DVD-Firma verkauft. Für 100.000 Dollar. Ich fragte ganz aufgeregt zurück: Hast du schon unterschrieben? Nun, er hatte noch nicht unterschrieben. Und so konnte ich ihn überreden, den Film ins Kino zu bringen." Dieses Mal hatte Blum den Midas-Touch, denn Paranormal Activity wurde das nächste Box-Office-Wunder des Heimvideokinos.

Es sind Geschichten wie diese, die es interessant machen, anlässlich von The Purge: Anarchy einmal nicht mit dem Regisseur, also mit James DeMonaco, sondern mit dem federführenden Produzenten Jason Blum zu sprechen. Denn es handelt sich hier deutlich um einen Formelfilm, bei dem kreative und strategische Intelligenz eine interessante Verbindung eingehen. Blum vertritt die strategische Intelligenz, aber nicht ohne Leidenschaft. "Ich mache Filme mit geringem Budget, weil wir es uns nur so leisten können, eigenartige Dinge zu machen."

In The Purge geht es, wie schon im ersten Teil, um eine soziale Einrichtung in einem gar nicht so radikal zukünftigen Amerika, das von neuen "Gründervätern" und Fundamentalisten beherrscht wird. Einmal im Jahr wird für eine Nacht das Tötungsverbot aufgehoben, dann darf abgemurkst werden nach Lust und schlechter Laune. Man kann sich nur einbunkern. Reiche Leute machen aus der Jagd aber sogar ein Gesellschaftsspiel.

DeMonaco sympathisiert in seinem Film eindeutig mit einer Rebellenbewegung. Doch die geht auch nicht gerade sanftmütig und schlau vor. Geballert wird heftig. Eine Konzession ans konservative Publikum? Jason Blum sieht das nicht so. "Der Film ist eine 'cautionary tale', eine Erzählung, die auf Missstände aufmerksam machen will. Es stellt sich aber heraus, dass viele Leute dieser Fantasie beinahe etwas abgewinnen können. The Purge möchte ein Spaß sein, einer, der zugleich Angst macht, Thrills bietet. Es geht aber auch um Klasse, Rasse und Waffenkontrolle - Sachen, mit denen wir Probleme haben."

Es ist schon absehbar, dass The Purge sich in die Reihe der Erfolgsgeschichten von Jason Blum einreihen wird. Er hat auf Paranormal Activity einige sehr ertragreiche Fortsetzungen folgen lassen, er konnte James Wan überreden, zu dem Schocker Insidious eine Fortsetzung zu machen, und zwischendurch lässt er auch einen Filmkünstler wie Barry Levinson einen ungewöhnlichen Horrorfilm wie The Bay machen.

In allen Fällen stehen Investition und Ertrag in einem deutlich anderen Verhältnis als bei den gängigen Blockbustern. "Zum Glück war ich nicht mehr 25, als Paranormal Activity passierte. Sonst hätte ich vielleicht probiert, einen Film für 200 Millionen Dollar zu stemmen. Bis heute sagen aber Leute zu mir: Du hast damals nicht genug rausgeholt."

Was er herausgeholt hat, sind besondere Produktionsumstände. Ist es verkehrt, wenn man Blumhouse Productions mit einem der legendären B-Studios des klassischen Hollywood wie RKO vergleicht? "Nein, darüber denke ich viel nach. Wir haben in Downtown Los Angeles, nicht der besten Gegend, alles beisammen, was unsere Firma ausmacht. In Hollywood wird das Horrorgenre nicht geliebt, deswegen tauchen dann viele bei uns auf, und wir probieren dann eben wieder einmal etwas Schräges aus. In der Regel kriegen wir von unseren Filmen die Hälfte in einen ,wide release', die Fortsetzungen schaffen eigentlich alle einen großen Start."

Bei Paranormal Activity erwies sich, dass der Kinostart tatsächlich für den Erfolg entscheidend war. Das Kino bleibt also der Auswertungsort Nummer eins? "Nein, das ändert sich gerade. Wenn nicht bald die Verwertungsfenster aufgehoben werden, wird das Erzählen weiter ins Fernsehen abwandern. Niemand wartet heute sechs Monate, bis ein Film ins Fernsehen oder on demand herauskommt. Wir müssen über die Vertriebskanäle ganz neu nachdenken." Die Genres, mit denen Jason Blum Geld verdient, sind darauf bestens eingestellt. (Bert Rebhandl, DER STANDARD, 2.8.2014)