Seit Mitte April läuft die „Anti-Terror-Operation“, in der reguläre Einheiten der ukrainischen Armee und paramilitärische Freiwilligen-Bataillone gegen die Aufständischen im Osten des Landes kämpfen. Die Regierung in Kiew meldet stetige Gebietsgewinne, aber ein Ende der Kämpfe ist nicht abzusehen.

Am 22. Juli stimmten 232 der 450 Parlamentsabgeordneten für eine Masseneinberufung von Männern unter 52 Jahren sowie von Reservisten. Die Forderung einiger Abgeordneter nach Verhängung des Kriegsrechts lehnte Präsident Petro Poroschenko allerdings ab: "Wer dies fordert, sollte sich der schweren Folgen bewusst sein“, sagte er, "außerdem liefert der Internationale Währungsfonds nicht an Länder im Kriegszustand - und wir brauchen das Geld".

Am Donnerstag beschloss das Parlament, eine Kriegssteuer von 1,5 Prozent einzuheben, um die Finanzierung der „Anti-Terror-Operation“ sicherzustellen.

Widersprüchliche Angaben

Genaue Angaben über die Opfer, die der Krieg bisher gefordert, hat, sind schwer zu finden: so meldete der Sprecher der "Anti-Terror-Operation", Wladislaw Selesnjow am 13. Juli, bei Luftangriffen seien rund 1.000 Separatisten getötet worden, was von Seite der Rebellen umgehend dementiert wurde: man habe lediglich einen Verwundeten zu beklagen. Nach UNO-Angaben starben seit dem Beginn der „Anti-Terror-Operation" mehr als 1100 Menschen.

Proteste

Angesichts der steigenden Opferzahlen regt sich nun auch Protest gegen den Bürgerkrieg: vor allem im Südwesten des Landes, wo ungarisch- und rumänischsprachige Minderheiten leben, kommt es zu Demonstrationen gegen Einberufungen.

"Wir haben den Krieg nicht gewollt! Sollen doch die hingehen, die da auf dem Maidan in Kiew geschrien haben" zitiert der „Stern“ eine Bewohnerin des 3.000-Einwohner-Dorfes Woloka, das 50 Männer in den Krieg schicken soll.

In Nowoseliza an der Grenze zur Slowakei griffen die Mütter kürzlich einberufener Wehrpflichtiger den nationalistischen Lokalpolitiker Iwan Popadjuk an, zerrissen sein besticktes Trachtenhemd und forderten ihn auf, doch selber in den Krieg zu ziehen.

Protest gegen Einberufungen in Nowoseliza
Nowolseliza

Auch in anderen Regionen sind es vor allem Angehörige Wehrpflichtiger, die aus Protest auf die Straße gehen: Laut der ukrainischen Nachrichtenagentur Unian blockierten am Wochenende im südukrainischen Mykolajiw Frauen aus Protest gegen die schlechte Versorgung ihrer Angehörigen, die seit fast zwei Wochen an der Front eingesetzt sind, zwölf Stunden lang die Brücke über den Bug. Sie kritisierten, dass die Soldaten kaum Lebensmittel und Wasser erhielten, auch die Munition sei knapp.

Sogar in der Hauptstadt Kiew kam es zu Kundgebungen gegen die Einberufungen. Die Demonstrantinnen verlangten, dass die Soldaten öfter abgelöst werden sollten.

Demonstration in Kiew, 22. Juli 2014. Auf den Schildern steht "Unsere Ehemänner sind kein Kanonenfutter", "Mütter gegen den Krieg" und "Rotation"

Auch aus Lwiw (Lemberg), Belaja Zerkow, Bogorodtschany bei Iwano-Frankiwsk und Nikolajew werden Anti-Kriegs-Proteste gemeldet. Immer öfter werden Einberufungsbescheide einfach verbrannt.

Wie viele Ukrainer sich der Wehrpflicht entzogen haben, ist in Zeiten des Propagandakrieges schwer zu überprüfen: zumindest im Fall des 79. Luftlanderegiments waren es laut ukrainischen Medien seit März 43 Mann, die die Einheit ohne Befehl verließen.

54 Soldaten, die vor den Kampfhandlungen auf russisches Territorium flohen, sich aber dann wieder zum Dienst meldeten, droht nun ein Prozess wegen Landesverrats. (bed, derStandard.at, 1.8.2014)