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Rauch über der Stadt Rafah im Gazastreifen, wo heftige Gefechte zwischen der israelischen Armee und der Hamas ausbrachen.

Foto: REUTERS/Ibraheem Abu Mustafa

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Ein zerstörtes Haus in Beit Hanoun im Gazastreifen.

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Gaza-Stadt: ein Palästinenser vor einer Fabrik, die noch am Donnerstag bei einem israelischen Luftangriff getroffen wurde.

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US-Außenminister John Kerry verkündet die vereinbarte Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas am Freitag in Indiens Hauptstadt Neu-Delhi.

Foto: AP Photo/Lucas Jackson

Gaza/Jerusalem - Seit der vermuteten Entführung eines israelischen Soldaten im Gazastreifen sind bei Vergeltungsangriffen der Armee nach Angaben von Rettungskräften bereits mehr als 100 Palästinenser getötet worden. Allein in der Nacht auf Samstag seien bei mehreren israelischen Luftangriffen in Rafah 29 Menschen gestorben, darunter 15 Mitglieder einer Familie, erklärte ein Sprecher der Rettungskräfte.

In den Trümmern eines Hauses in der Stadt wurden außerdem am Abend vier Leichen entdeckt. In Khan Yunis, das ganz in der Nähe von Rafah liegt, wurden bei Panzerangriffen zudem drei weitere Palästinenser getötet.

Leutnant soll bei Angriff verschleppt worden sein

Insgesamt starben den Rettungskräften zufolge mindestens 101 Palästinenser und rund 350 weitere wurden verletzt, seit Israel am Freitag eine "intensive Suche" nach dem mutmaßlich verschleppten Soldaten angekündigt hatte. Der 23-jährige Leutnant Hadar Goldin soll bei einem Angriff auf seine Armeeeinheit nahe Rafah verschleppt worden sein, zwei Soldaten starben dabei.

Die israelische Justizministerin Tzipi Livni machte die radikalislamische Hamas für das Verschwinden des Soldaten verantwortlich. Die Hamas werde "den Preis dafür zahlen", sagte sie nach Angaben des israelischen Portals Walla. Die Al-Kassam-Brigaden erklärten jedoch, keine Informationen über die mutmaßliche Entführung zu haben.

Keine zwei Stunden

Die für den Gazastreifen vereinbarte dreitägige Waffenruhe hat keine zwei Stunden gehalten. Stattdessen wurden schon am Freitag mindestens 50 Palästinenser und zwei Soldaten getötet. Der israelische Soldat Hadar Goldin wurde mutmaßlich von Kämpfern der radikalislamischen Hamas verschleppt. Nur 90 Minuten nach Beginn der Feuerpause um 7.00 Uhr MESZ wurden israelische Soldaten nach Darstellung des Militärs bei Rafah im Süden des Gazastreifens aus einem Tunnel heraus von Hamas-Kämpfern angegriffen. Die USA sprachen von einer "barbarischen Verletzung" der Feuerpause.

Israel erklärte die von den Vereinten Nationen (UN) und den USA vermittelte Waffenruhe am Freitagmittag für gescheitert. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu berief eine Sondersitzung des Sicherheitskabinetts ein. Damit war ungewiss, was aus den in der ägyptischen Hauptstadt Kairo geplanten Verhandlungen über einen dauerhaften Waffenstillstand werden würde. Ägyptische Regierungsvertreter erklärten, die Einladung an die Konfliktparteien bestehe fort. Mehrere Palästinenser-Vertreter hätten aber um eine Verschiebung auf Samstag oder Sonntag gebeten, damit eine neue Feuerpause vereinbart werden könne.

Zahl getöteter Menschen steigt auf über 1.500

Das Militär machte den Angriff auf Soldaten bei Rafah für das Scheitern der Waffenruhe verantwortlich. Mindestens einer der Angreifer sei ein Selbstmordattentäter gewesen, der sich in die Luft gesprengt habe. Es habe einen Schusswechsel gegeben. Zwei Soldaten seien getötet worden, ein weiterer 23-jähriger Soldat sei allem Anschein nach von den Angreifern entführt worden. Beim folgenden israelischen Granatenbeschuss wurden nach Angaben des Gaza-Gesundheitsministeriums über 50 Palästinenser getötet. Etwa 220 Menschen seien verletzt worden.

Damit stieg die Zahl der getöteten Palästinenser auf über 1.500. Die meisten von ihnen waren Zivilisten. Aufseiten Israels wurden seit Beginn der Militäroffensive am 8. Juli 63 Soldaten getötet und über 400 verwundet. Drei Zivilisten wurden in Israel durch Raketenbeschuss aus dem Gazastreifen getötet. Am Freitag wurden nach Militärangaben acht Raketen und Mörsergranaten aus dem Küstenstreifen auf das israelische Kernland abgefeuert.

Unsicher, wer Waffenruhe gebrochen habe

Ein Sprecher der Hamas-Bewegung erklärte, Israel wolle die ganze Welt täuschen und nur von dem ablenken, was er als "Rafah-Massaker" bezeichnete. Der ständige Vertreter der Palästinenser bei den UN in New York, Rijad Mansur, sagte dem Sender CNN, es sei nicht sicher, dass die Hamas den Angriff auf israelische Soldaten ausgeführt oder die Waffenruhe gebrochen habe. Der saudische König Abdullah warf der internationalen Gemeinschaft Untätigkeit gegen die israelische Gaza-Offensive vor. Das Vorgehen Israels bezeichnete er als Kriegsverbrechen.

Der UN-Sondergesandte Robert Serry rief zu Mittag die Palästinenser auf, sich an die Vereinbarungen zu halten und sich umgehend zu der aus humanitären Gründen ausgerufenen Feuerpause zu bekennen. Sollten sich die Berichte über den Vorfall in Rafah mit Toten auf israelischer wie palästinensischer Seite bestätigen, wäre dies eine schwere Verletzung der Waffenruhe durch militante Palästinenser, hieß es in einer UN-Erklärung.

US-Präsident Barack Obama hat indes die sofortige Freilassung des verschleppten israelischen Soldaten gefordert. "Wenn es ihnen ernst damit ist, die Situation zu lösen, dann muss dieser Soldat ohne Bedingungen so rasch wie möglich freigelassen werden", sagte Obama am Freitag vor Journalisten.

Keine Atempause für Zivilisten

In einer gemeinsamen Erklärung hatten UN-Generalsekretär Ban Ki-moon und US-Außenminister John Kerry am Donnerstagabend mitgeteilt, Israel und Hamas hätten der dreitägigen Feuerpause zugestimmt. Damit solle unschuldigen Zivilisten eine Atempause verschafft werden. Die Kämpfe zwischen Israel und der Hamas dauern seit über drei Wochen an.

Die Waffenruhe hatte vielversprechend begonnen. Mit ihrem Beginn hatten sich die Straßen in Gaza mit Menschen gefüllt. Beladen mit einigen Habseligkeiten machten sich palästinensische Familien auf den Weg zurück in ihre Wohnungen, aus denen sie vor den Kämpfen geflohen waren. Ein 38-jähriger Vater von vier Kindern sagte, er kehre mit der Familie zurück nach Beit Lahija im Norden des Gazastreifens. "Wir hoffen, dass die Waffenruhe von Dauer ist und dass wir nicht zurück müssen in eine UN-Unterkunft", sagte Ascharaf Sajed. Über 200.000 Palästinenser haben vor den Kämpfen Schutz in Einrichtungen der Vereinten Nationen gesucht, die in den vergangenen Tagen aber auch von Israel beschossen worden waren. In einigen UN-Einrichtungen waren auch Waffenverstecke der Hamas entdeckt worden.

Tunnelsystem der Hamas zerstören

Auch während der Feuerpause wollte Israel die Zerstörung des Tunnelsystems unter dem Gazastreifen fortsetzen, das die Hamas als Waffenlager und für Angriffe im israelischen Kernland nutzt. Aus dem US-Außenministerium verlautete, Israel werde sich dabei auf Tunnel hinter den Linien des israelischen Militärs beschränken.

Netanjahu hatte am Donnerstag betont, die Armee werde unter allen Umständen das Tunnelsystem der Hamas zerstören, ob mit oder ohne Waffenruhe. Beim Militär hatte es geheißen, dies werde noch wenige Tage in Anspruch nehmen. Das könnte Israel ermöglichen, das Ende der Militäroffensive zu erklären und seine Soldaten aus dem Gazastreifen wieder abzuziehen. (APA/Reuters, 1./2.8.2014)